Lizenzentzug als Mittel gegen unbequeme Anwält*innen in Belarus

Interview

Von staatlicher Repression sind in Belarus nicht nur Bürger*innen betroffen, die sich an Protesten gegen Wahlfälschungen und Polizeigewalt beteiligt haben. Auch Rechtsanwält*innen, zu allererst jene, die in politisch besonders brisanten Fällen ihre Mandanten vertreten, geraten ins Visier der Behörden. 

Gerichtsverhandlung in Belarus

Der Rechtsanwalt Sergej Sikrazkij berichtet an seinem eigenen Beispiel, wie der belarusische Staat gegen unbequeme Anwälte vorgeht. Ende März wurde Sikrazkij durch das belarusische Justizministerium vorgeladen. Der Termin bei der Qualifizierungskommission für Rechtsanwälte endete mit dem Entzug seiner Anwaltslizenz. Die Heinrich-Böll-Stiftung dokumentiert das Interview von Adar’ja Huschtyn in deutscher Sprache in Zusammenarbeit mit der Facebook-Plattform Belarusstimmen und mit freundlicher Genehmigung des Medienportals TUT.BY.

Sergej, haben Sie die Entscheidung der Kommission über den Entzug Ihrer Anwaltslizenz so erwartet?

Ich bin schon im Sommer 2020 davon ausgegangen, dass es passiert. Die Frage war nur noch wann es passiert. Es war also keine Überraschung. Die 16 Mitglieder der Kommission haben einstimmig entschieden, mir die Lizenz zu entziehen. Ehrlich gesagt, habe ich die Fragen nicht so beantwortet, wie sie es von mir erwartet haben. Aus Erfahrungen anderer Anwälte, die diese Prozedur bereits durchlaufen haben, wusste ich schon, dass es nur darum geht, jemanden durchfallen zu lassen. Du beantwortest eine Frage aus dem Arbeitsrecht und sie springen gleich zu einer Frage aus dem Zollrecht, dann fragen sie dich zum Strafrecht, weiter geht es zum Urheberrecht. Das heißt, wenn jemand will, dann kann er immer eine Frage finden, die du nicht gleich beim ersten Anlauf beantworten kannst. Deshalb habe ich bei allen Fragen geantwortet: die Antwort findet sich in dem und dem Rechts- bzw. Gesetzestext, wenn sie möchten, werde ich es aufschlagen und ihnen den genauen Wortlaut vorlesen. Meine Position bestand darin, dass ich nicht einfach irgendwie antworten kann. Wenn ich mit Klienten arbeite, verweise ich immer auf Rechts- und Gesetzestexte und verwende bei der Begründung wortwörtliche Formulierungen. Mit diesem Ansatz waren die Mitglieder der Kommission nicht einverstanden. Vor dieser Befragung wurden Äußerungen von mir in den Medien diskutiert und wegen dieser wurde ich vorgeladen.

Warum sind Sie bereits im Sommer davon ausgegangen, dass man Ihnen das Recht auf Ausübung ihres Anwaltsberufs entziehen wird?

Als Wiktor Babariko seine Deklaration für faire Wahlen verkündete[1], schrieb ich in den sozialen Netzwerken, dass ich seine Thesen unterstütze und bereit bin, die Menschen zu einem minimalen Honorar – denn umsonst darf ein Anwalt [laut Gesetz. Anm.d.Ü.] nicht arbeiten – zum Wahlrecht zu beraten. Natürlich war mir bewusst, dass im Falle Babarikos Wahlniederlage sehr wahrscheinlich diejenigen sanktioniert werden, die sein Vorhaben unterstützt haben. Außerdem war mir klar, dass ich als engagierter Bürger, der ich schon immer war, es nicht dabei belassen werde und das Justizministerium auch etwas anderes finden wird, was es an mir auszusetzen hat. So ist es am Ende auch gekommen.

Sergej Sikrazkij

Sergej Sikrazkij gilt als einer der besten belarusischen Anwälte, spezialisiert auf Urheber- und Gesellschaftsrecht. Auf dem Gebiet des Strafrechts wollte er nie tätig werden, doch das Jahr 2020 änderte alles. Nun vertrat er auch viele belarusische Journalist*innen, die sich wegen Ordnungswidrigkeiten oder strafrechtlichen Vorwürfen vor Gericht wiederfanden. Zu Mandant*innen von Sergej Sikrazkij zählen die Mitglieder der Journalistenvereinigung „Press Club Belarus“, denen Steuerhinterziehung vorgeworfen wird und die seit Dezember 2020 inhaftiert sind. Er vertrat auch TUT.BY, als ein Minsker Gericht dem Medienportal im Dezember letzten Jahres die Presselizenz entzogen hat. Darüber hinaus vertritt Zikratski die BELSAT-Journalistin Jekaterina Andrejewa. Andrejewa berichtete mit ihrer Kollegin Darja Tschulzowa live von der Konfrontation zwischen Sicherheitskräften und den Verteidigern des Mahnmals für Roman Bondarenko am „Platz des Wandels“ in Minsk. Die beiden Journalistinnen, denen letztlich die Ausübung ihres Berufs vorgeworfen wurde, sind am 18. Februar 2021 von einem Minsker Gericht zu zwei Jahren Haft verurteilt worden.

Sie haben ja gewusst, dass Anwälten auch früher schon die Lizenz entzogen wurde, wenn sie die Interessen von Opponenten der Obrigkeit vertraten. Warum sind Sie trotzdem aktiv geworden?

Einerseits gibt es die Arbeit, die du machst, aber es gibt auch das Gefühl der eigenen Würde. Wenn du dich schon dafür entscheiden hast, die Interessen der Menschen zu vertreten, dann stellt sich die Frage gar nicht, ob dir dabei das Recht auf den eigenen Beruf entzogen werden könnte. Ein Anwalt ist verpflichtet seine Mandanten zu verteidigen, was ich auch getan habe. Zweifel hatte ich keine.

Aber Fälle aus dem Bereich des Strafrechts haben Sie ja früher nicht übernommen?

Damit habe ich 2020 angefangen. Davor habe ich immer gesagt, dass ich nie im Leben im Bereich des Strafrechts arbeiten werde. Anwalt bin ich nur deshalb geworden, weil es eine Reform gab, und ich als Jurist der Möglichkeit beraubt wurde die Interessen meiner Klienten aus der freien Wirtschaft vor Wirtschaftsgerichten zu vertreten. Als Jurist habe ich schon immer mit Mandanten aus der freien Wirtschaft gearbeitet. Doch dann kam das Jahr 2020, das alles auf den Kopf gestellt hat, nicht nur in meinem Leben, sondern im Leben der gesamten belarusischen Gesellschaft. Als die Journalist*innen, die ich zuvor wegen Ordnungswidrigkeiten vor Gerichten vertreten habe, auf einmal strafrechtlich belangt wurden, hatte ich keine Zweifel ob ich sie weiter anwaltlich vertreten soll oder nicht. So war das im Fall von Jekaterina Andrejewa und später im Fall von Alla Scharko.[2]

Juristen haben das Jahr 2020 als das Jahr des „Bankrotts des Rechtssystems“ bezeichnet. Welche Entwicklungen waren in diesem Zusammenhang besonders einschneidend?

Es fällt mir schwer nur eine Sache hervorzuheben. Wahrscheinlich ist es die permanente Unterbietung des einmal erreichten Tiefpunkts. Denn jedes Mal, wenn etwas auftauchte, was den Rahmen des Rechts sprengte, schien es, dass dies der Tiefpunkt war. Aber es stellte sich heraus, nein, alles kann sogar noch schlimmer sein. Nicht umsonst ist die Redewendung entstanden: „Der Abgrund hat keinen Boden“. Erst wurden die Anwälte am Betreten von Polizeidienststellen und Untersuchungshaftanstalten gehindert, dann wurden Gerichtsprozesse per Skype abgehalten, unsere Mandanten wurden nicht mehr zum Gericht gebracht. Dann traten vor Gericht anonyme Zeugen in Sturmhauben unter geänderten Namen auf. Die Menschen bekamen Haftstrafen, wenn sie eine Fahne auf ihrem Balkon ausgehängt haben oder weil sie ein bestimmtes Buch in der S-Bahn gelesen haben. Ganz generell hat mich die Vorgabe [von A. Lukaschenko] beeindruckt, gerade sei nicht die Zeit um auf Gesetz zu schauen.[3]

Was hat Ihnen die Kraft gegeben, um weiter zu machen, als offensichtlich war, dass Recht und Gesetz gerade nicht funktionieren?

Der Glaube daran, dass ich alles richtig mache. Mir war klar, dass das Ergebnis der Gerichtsverhandlungen höchstwahrscheinlich negativ ausfallen wird: Die Person wird eine Haftstrafe bekommen, einige Tage oder länger, wenn es um strafrechtliche Vorwürfe geht. Doch als Rechtsanwalt muss ich alles tun, was in meiner Macht steht, um die Unschuld meines Mandanten zu beweisen. Außerdem erschwert die Anwesenheit eines Anwalts im Prozess das Fällen rechtswidriger Urteile. Es ist sowohl vom moralischen als auch vom professionellen Standpunkt schwieriger, jemand schuldig zu sprechen, wenn der anwesende Anwalt auf alle Verstöße hinweist. Außerdem hoffe ich, dass alle rechtswidrigen Entscheidungen und Urteile mit der Zeit revidiert werden. Und dafür müssen alle Verstöße protokolliert werden, auch in Beschwerden gegen Gerichtsbeschlüsse und Urteile.    

Mir war klar, dass die Journalistinnen von BELSAT, sehr wahrscheinlich schuldig gesprochen werden. Und als im staatlichen Fernsehen bereits vor der Verurteilung in einer Sendung mit anklagendem Inhalt Informationen aus den Gerichtsakten auftauchten, wurde Jekaterina und mir klar, dass das Urteil hart ausfallen wird. Doch wir werden trotzdem eine Berufung gegen das Urteil einlegen. Egal wie schwer es ist, ich bin ein Optimist und glaube immer noch an das Beste.

Exkurs

Anwälte, die an politisch brisanten Fällen arbeiten, sind nach den Präsidentschaftswahlen 2020 unter Druck geraten.

In den letzten Monaten hat das Justizministerium den Anwälten von Maria Kolesnikowa, Alexander Pylchenko und Liudmila Kozak, sowie den Anwälten Konstantin Michel, Michail Kiriljuk und Maksim Konon die Lizenz entzogen. Auch der Rechtsanwalt Wladimir Sozontschuk, der den Politiker Nikolai Statkewitsch, den Blogger Dmitrij Kozlow und die Journalistin Jekaterina Andrejewa vertritt, könnte seine Lizenz verlieren.

Im Jahr 2020 wurde die Lizenz auch der Anwältin Julia Lewantschuk entzogen, die den von Sicherheitskräften verprügelten Geschäftsmann Maksim Choroschin vertreten hat.

Über den Entzug von Anwaltslizenzen hinaus, will der belarusische Staat die Tätigkeit von Rechtsanwälten auch gesetzlich einschränken. Vor kurzem wurde bekannt, dass in Belarus ein Gesetzentwurf „Über die Änderung des Gesetzes zur Tätigkeit von Rechtsanwälten“ vorbereitet wird, der es Anwälten, die individuell oder in Anwaltskanzleien tätig sind, verbieten soll, Personen zu vertreten, die nach Straf- oder Ordnungswidrigkeitsparagraphen angeklagt werden.[4]

Über den Druck auf die belarusischen Anwälte hat während der 46. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates auch der UN-Hochkommissar berichtet.

Für den Schutz der belarusischen Anwälte sind die Vereinigung der US-amerikanischen Rechtsanwälte, Richter und Jurastudenten (American Bar Association, ABA), das Institut für Menschenrechte der Internationalen Vereinigung der Anwälte (International Bar Association Human Rights Institute, IBAHRI) und die George Clooney Stiftung „Für Gerechtigkeit“ (J. Clooney Foundation for Justice, CFJ), sowie namhafte russische Rechtsanwälte eingetreten.

Hatten Sie die Hoffnung, dass die Gerichte nach den Ereignissen im August 2020 ihre Praxis ändern würden?

Ja, es gab eine solche Hoffnung. Nachdem hunderttausende Belarus*innen auf die Straße gegangen sind, wurden im August die Inhaftierten vorzeitig entlassen und ich hatte wirklich gehofft, dass sich die Situation ändert. Es gab Anzeichen dafür, dass die Richter zurücktreten würden. Doch am Ende können wir sagen, das System war stärker und die Veränderungen fanden nicht statt.

Welche Risiken bringen die Einschränkungen gegen Rechtsanwälte mit sich?

Ich befürchte, dass der Berufsstand des Rechtsanwalts vollständig zu einer staatlichen Institution wird. In einer Situation, in der alle Führungspositionen vom Justizministerium genehmigt oder von ihm ernannt werden, wenn die Anwärter*innen einen Ministeriums-Filter passieren müssen, bekommen wir eine Anwaltschaft, die vollständig von einem Staatsorgan abhängt, der ein bequemes Instrument in Form von Zulassungslizenzen in der Hand hat und jederzeit einem „unbequemen“ Anwalt die Lizenz entziehen kann. Und die Konsequenzen davon betreffen nicht nur die sogenannten politischen Fälle. Es kann dazu kommen, dass die Rechtsanwälte Angst haben werden, ihre Mandanten aktiv zu vertreten, wenn sie gleichzeitig um ihre Lizenz fürchten müssen.

Ist das nicht längst geschehen? Die meisten Anwälte haben diese Angst bereits und versuchen, den Kopf unten zu halten. Die Leute sagen schon lange, dass der Anwalt nichts entscheidet, keinen Einfluss auf irgendetwas hat, er sei einfach nur ein Postbote zwischen dem Angeklagten und seinen Angehörigen.

Ich weiß, es gibt diese Meinung, doch ich teile sie nicht. Auch wenn die Anzahl der erreichten Freisprüche in Belarus nicht hoch ist, so ist doch die Rolle eines Anwalts, gerade in der Ermittlungsphase, wesentlich. Der Anwalt hat die Möglichkeit, mit seinem Mandanten zu sprechen, mit ihm die Verteidigungsstrategie zu erörtern, und wenn man sich daran hält, besteht die Chance, dass der Fall nicht vor Gericht landet oder die Person nach einem milderen Paragraphen angeklagt wird. Das gilt jedoch nur, wenn Recht und Gesetz funktionieren. Doch wenn gerade [wie Lukaschenko sagt] nicht die Zeit sei, um auf Gesetz zu schauen, ist die Rolle eines Rechtsanwalts auf ein Minimum reduziert.

Wird es so weit kommen, dass individuell oder in einer Kanzlei tätige Anwälte das Recht verlieren, Mandanten in strafrechtlichen Fällen oder bei Ordnungswidrigkeiten zu vertreten?

Diese Gefahr schätze ich als sehr ernst ein. Es gab dazu einen ersten Gesetzesentwurf, vor einigen Tagen tauchte der zweite auf und alles scheint sich genau in diese Richtung zu entwickeln. Ich habe dieses Thema mit Kolleg*innen diskutiert und viele sagen, dass sie für sich keinen Platz in einem so beschaffenen Anwaltsberuf sehen. Sollte dies geschehen, wird es in den nächsten 6 bis 12 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes einen Massenexodus aus dem Rechtsanwaltsberuf geben. An Stelle dieser Anwälte treten dann Absolventen von juristischen Fakultäten, sowie ehemalige Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, für die übrigens ein vereinfachtes Verfahren der Lizenzerteilung vorgesehen ist.

Bei vielen hochrangigen Beamten, Richtern oder Sicherheitskräften sind Verwandte, Ehepartner oder Kinder öfter im Anwaltsberuf tätig. Können sie diese Beziehungen nutzen, um weiter als Anwalt zu arbeiten? Schließlich ist es auch eine Frage des Geldes.

Ich glaube nicht, dass diese Menschen einen großen Einfluss auf die Gesetzesänderung haben. Diese Lobbymechanismen funktionieren heute kaum. Und den Verfassern des Gesetzestextes ist sehr daran gelegen, das Gesetz genau in dieser Form zu verabschieden.

Der Auftritt des Vorsitzenden des Republikanischen Anwaltskollegiums in Minsk vermittelt den Eindruck, man versuche gerade alle unbequemen Anwälte aus dem Berufsstand zu entfernen und damit dem Staat zu zeigen, schaut mal, wir haben alles in Ordnung gebracht, lasst alles so wie es ist, das Gesetz muss nicht verschärft werden. Vielleicht gibt sich das System damit zufrieden?

Ich denke, die Anzahl der heute ausgeschlossenen Anwälte ist viel geringer, als die Anzahl jener, die der Staat nicht in diesem Beruf sehen möchte, ungefähr drei Mal geringer. Es ist also unwahrscheinlich, dass das Problem auf diese Weise gelöst werden kann. Der Gesetzentwurf wird gerade intern abgestimmt und mit hoher Wahrscheinlichkeit im April ins Parlament kommen. Für Manöver bleibt wenig Zeit.

Was ist die Zukunftsperspektive für Anwälte, die ihre Zulassung verloren haben? Wissen Sie schon, was Sie tun werden?

Einen Plan habe ich bisher noch nicht. Ein paar Wochen ist meine Lizenz noch gültig und in dieser Zeit muss ich mich maximal um meine Mandanten kümmern, mich mit ihnen treffen, besprechen, wer ihnen weiteren Rechtsbeistand leisten kann. Was die Aussichten im Allgemeinen angeht, hängt alles von der Situation im Land ab. Heute steht es um die freie Wirtschaft ziemlich schlecht. Sie kann wohl kaum alle übernehmen, die den Anwaltsberuf hinter sich lassen. Außerdem hängt vieles von der jeweiligen Spezialisierung ab.

Haben Sie Unterstützung erfahren, nach dem bekannt wurde, dass man Ihnen die Lizenz entzogen hat?

Ich weiß, dass meine Mandant*innen mich schätzen, dass ich eine gewisse Autorität unter meinen Kollegen genieße, aber um ehrlich zu sein, hätte ich nicht gedacht, dass die Welle der Unterstützung so groß sein wird. Ich erhielt hunderte Nachrichten, auch von Fremden, der gesamte Social-Media-Feed war voll mit Posts zu meiner Unterstützung. Klient*innen und Kolleg*innen kamen zum Gebäude des Justizministeriums und ich erhielt sogar einen Brief vom Lieferservice eines Geschäfts, in dem ich vor ein paar Jahren etwas bestellt hatte. Es mag banal klingen, aber im Jahr 2020 haben wir wirklich viel über uns selbst und über unser Volk erfahren. Ich sehe, wie Menschen für ihre Stimmen kämpfen. Und ich bereue nichts. Wenn ich die Arme verschränken und so tun würde, als wäre nichts passiert, würde ich mich schämen. Und als Anwalt habe ich alles getan, was ich tun konnte.

 

Übersetzt aus dem Russischen für die Heinrich-Böll-Stiftung und die „Stimmen aus Belarus“ von Wanja Müller.

Russischsprachige Erstveröffentlichung: https://news.tut.by/society/724063.html?tg

 


[1] Wiktor Babariko, einer der vor seiner Inhaftierung aussichtsreichsten oppositionellen Kandidat*innen für das Amt des Präsidenten, veröffentlichte am 31. Mai 2020 seine „Deklaration für faire Wahlen“. Darin rief er andere Kandidierende und alle Bürger*innen dazu auf, seine Erklärung zu unterstützen und für einen fairen Verlauf der Präsidentschaftswahlen zu sorgen. Am 11. Juni wurde gegen Babariko ein Strafverfahren wegen Korruption eröffnet, am 18. Juni 2020 wurde er und sein Sohn Eduard verhaftet. Die Leiterin des Wahlkampfstabs von Babariko, Maria Kolesnikowa, setzte den Wahlkampf fort und unterstützte die Kandidatur von Swetlana Tichanowskaja. Wiktor Babariko und sein Sohn Eduard befinden sich nach wie vor in Haft. Beide sind aufgrund politisch motivierter Verfolgung von internationalen Menschenrechtsorganisationen als politische Gefangene anerkannt.
[2] Alla Scharko ist Programmdirektorin der belarusischen Journalistenorganisation „Press Club Belarus“. Sie wurde am 22.12.2020 festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. Ihr und anderen inhaftierten Mitgliedern der Journalistenorganisation wird Steuerhinterziehung vorgeworfen.
[3] Sergej Sikrazkij verweist hier auf Alexander Lukaschenko, der bei einem Auftritt vor belarussischen Staatsanwälten am 9. September 2020 sagte, dass angesichts der Proteste harte Maßnahmen ergriffen werden müssen und gerade nicht die Zeit sei um „auf Gesetze zu schauen“.
[4] Dies betrifft sehr viele, da alle, die sich an den, von staatlichen Behörden praktisch nie genehmigten Demonstrationen und Kundgebungen beteiligen, damit eine Ordnungswidrigkeit begehen und darüberhinaus auch strafrechtlich belangt werden.