Erklärung zur jüngsten Welle politischer Repressionen in Belarus

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Die Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE wird dieses Jahr in Minsk stattfinden - die OSZE sollte ein Ende der Repressionen als Bedingung für die Durchführung des geplanten Treffen erklären

Internationale Organisationen sollten das Ende der Repressionen als Bedingung für die Zusammenarbeit mit der Regierung machen. Dies fordern die belarussische Grüne Partei und die NGO “Ekodom” angesichts der jüngsten Verhaftungswelle.

Seit Mitte Februar 2017 kam es in Belarus erstmals seit mehreren Jahren wieder zu einer Welle scharfer politischer Repressionen. Hunderte Organisator/innen und Teilnehmer/innen verschiedener friedlicher Demonstrationen in mehreren Städten des Landes wurden zu bis zu 15 Tagen Haft und Geldstrafen verurteilt, zuletzt im Vorfeld des “Tages der Freiheit”, der jedes Jahr am 25. März begangen wird und für den ein erneutes Anschwellen der Proteste erwartet wurde. Festgenoimmen wurde auf seinem Weg von Warschau nach Minsk auch der ehemalige Präsidentschaftskandidat Wladimir Neklajew.

Die Demonstrant/innen fordern die Abschaffung der “Steuer gegen soziales Parasitentum”, wie Präsident Lukaschenko sie benannt und gerechtfertigt hatte. Mit der Steuer werden arbeitsfähige Personen belegt, die keiner steuerpflichtigen Beschäftigung nachgehen und betrifft v.a. Saisonarbeiter in Russland und Polen. Die Erhebung der Steuer wurde zwischenzeitlich aufgrund der Proteste bereits für ein Jahr ausgesetzt. Die Proteste gehen indes weiter. Die Heinrich-Böll-Stiftung dokumentiert aus diesem Grund die folgende

Gerichtet an die Parlamentarische Versammlung der OSZE und weitere internationale Organisationen

"Wir, die Belarussischen Grünen und die Organisation “Ekodom”, erklären unseren gemeinsamen Protest gegen die neue Welle politischer Repressionen in Belarus in den zurückliegenden Wochen. Seit dem 17. Februar 2017 wurden ca. 200 Teilnehmende friedlicher Demonstrationen zu scharfen Geld- und Haftstrafen verurteilt, darunter auch 25 Journalist/innen unabhängiger Medien.

Die Umweltaktivistinnen Marina Dubina, Ksenia Malukova und Alena Dubovik waren ebenso Repressionen ausgesetzt. Sie wurden mit unangemessen scharfen Methoden und unter Missachtung geltenden Rechts verhaftet und auf Basis von konstruierten Anschuldigungen wegen Rowdytums zu 12 bzw. 15 Tagen Gefängnis verurteilt.

Am Nachmittag des 15. März 2017 unmittelbar vor dem Beginn des friedlichen und offiziell genehmigten “Marsches der Nicht-Parasiten” wurden die Geschäftsführerin von Ekodom Dubina und die Aktivistin Malukova an einer Bushaltestelle von einer Gruppe zivil gekleideter Männer ohne Hoheitszeichen attackiert. Diese konnten später als Bereitschaftspolizisten (OMON) identifiziert werden. Mit brutalen physischen Zwangsmaßnahmen wurden die jungen Frauen ohne Erklärung in einen Minibus verbracht und zum Sitz der Innenbehörde im Minsker Pervomaisky Bezirk gefahren.

Die Aktivistin Alena Dubovik wurde zusammen mit weiteren Personen nach der Demonstration auf ihrem Heimweg in einem Trolleybus von Polizisten in Zivilkleidung verhaftet. Auch in diesem Fall kam es zu physischer Gewaltanwendung und Schlägen.

Die Behörden verweigerten über mehrere Stunden jegliche Auskünfte über den Ort der Haft und den Gesundheitszustand der Verhafteten.

Im Prozess der Aburteilung machten die Bereitschaftspolizisten falsche Angaben über den Ort, Zeit und weitere Umstände der Verhaftungen der Aktivistinnen wie die Anwendung der Gewaltmaßnahmen und ihre zivile Bekleidung. Die Richter lehnten es ab auch die Argumente der Verteidigung zur Kenntnis zu nehmen wie etwa Videomitschnitte von Zeugen der Verhaftungen.

Derartige Repressionen fanden landesweit statt. Zeitgleich besuchte die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSCE, Christine Muttonen, die belarusische Hauptstadt, in der sie am 15. März eine Vereinbarung über die Organisation der 26. Jahrestagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE in Minsk unterschrieb. Am 17. März diskutierte ein Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit Präsident Alexander Lukashenko mögliche Formen der ZUsammenarbeit. Diese Schritte erfolgen im Kontext der Wiederbelebung des politischen Dialogs der USA und der EU mit Belarus nachdem die belarussischen Regierung vor einem Jahr politische Gefangene freigelassen hatte und Wirtschaftssanktionen gegen das Land aufgehoben worden waren.

Die Entscheidung über die Ausrichtung der Tagung der Espoo-Konvention in Minsk war eine weitere Konzession seitens anderer europäischer Länder gegenüber Belarus.

Die politisch motivierten Verhaftungen der Aktivisten betrachten wir als eine skandalöse Verletzung von Menschenrechten. Die Verhafteten sind de facto politische Gefangene.

Wir sind überzeugt, dass jede Form des Dialogs mit dem offiziellen Minsk unter diesen Umständen ihre Bedeutung verliert, solange Bürger/innen und Medien repressiert und elementare Menschen- und Freiheitsrechte verletzt werden.

Wir rufen die OSZE und das Sekretariat der Espoo-Konvention der UNECE dazu auf, ein Ende der Repressionen und die Rehabilitierung der Repressierten zu verlangen und als Bedingung für die Durchführung der geplanten Treffen zu erklären. Eine wichtige Bedingung für die weitere Zusammenarbeit sollten nach unserer Auffassung wirkliche Liberalisierungsschritte der belarusischen Regierung sein. Dazu zählen u.a. Schritte zum Dialog mit der Zivilgesellschaft, Möglichkeiten der demokratischen Beteiligung, demokratische Wahlen und die effektive Durchsetzung von Bürger/innenrechten wie der Meinungs- und Versammlungsfreiheit."

(Übersetzung aus dem Englischen: Robert Sperfeld)

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