Das Meer als Kulisse

Kreuzfahrt mit 4.000 Mitreisenden oder All-inclusive-Ressort am Strand – die Belastungen für Meer und Küstenbevölkerung durch den steigenden globalen Tourismus nehmen zu.

Infografik aus dem Meeresatlas: Boom maritimer Tourismus

Tourismus ist weltweit zu einem der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren geworden. Für einige Regionen – Inseln und Küsten – ist er sogar der wichtigste. Im Jahr 2015 sind knapp 1,2 Milliarden Menschen ins Ausland gereist. Und das sind nicht mehr nur Reisende aus Nordamerika und Europa. Immer mehr internationale Gäste kommen aus Südostasien, China, Russland, Indien oder Brasilien. Die ganze Welt zieht es in die Fremde. Wer es sich leisten kann, macht auswärts Urlaub. Die Anzahl derer, die im eigenen Land unterwegs sind, beläuft sich auf fünf bis sechs Milliarden.

Damit ist die Zahl der Auslandsreisenden seit 1950 um das Vierzigfache gestiegen. Bis zum Jahr 2030 – so schätzt die Welttourismusorganisation (UNWTO) – dürfte die Anzahl weltweit auf 1,8 Milliarden steigen. Allein nach Europa reisten 2015 608 Millionen Menschen. 343 Millionen zog es 2014 ans Mittelmeer. Das sind etwa ein Drittel der international Reisenden.

 

Urlaub am Meer – das ist für viele Menschen der Inbegriff von Erholung. Doch viele touristische Hotspots im und am Meer leiden zunehmend unter den Belastungen des Massenandrangs. Ein Beispiel: Venedig lebte zwar schon vor 300 Jahren mit dem Tourismus – damals besuchten aber nur wenige vornehme Reisende die berühmte Stadt. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich das. Damals hatte die Stadt 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner. Heute sind es nur noch 50.000, die aber 30 Millionen Reisende pro Jahr willkommen heißen. Die Lagune von Venedig wird täglich von zehn Kreuzfahrtschiffen angelaufen, die mehr oder weniger direkt am Markusplatz vorbeifahren. Wie im Brennglas zeigt sich in Venedig das Problem der boomenden Kreuzfahrtindustrie: Die Gästezahlen steigen rasant, die Zahl der begehrten Destinationen nicht. Im Jahr 1980 gingen 1,4 Millionen Menschen auf Kreuzfahrt. 2006 waren es schon 15 Millionen und im Jahr 2016 meldete die internationale Kreuzfahrtorganisation CLIA 24 Millionen Fahrgäste. Viele Küsten der Welt haben ihre Kapazitätsgrenzen für den Massentourismus längst erreicht – der zunehmende Kreuzfahrttourismus setzt sie weiter unter Druck.

 

Dabei werden die Kreuzfahrtschiffe immer größer, Passagierzahlen von 3.000 bis 5.000 Menschen plus 2.000 Crew-Mitgliedern sind keine Seltenheit mehr. Der Schadstoffausstoß dieser schwimmenden Kleinstädte ist dabei nur eines der Probleme, das die touristischen Ziele zu bewältigen haben. Ein weiteres großes Problem ist die Intensität der Ressourcennutzung. Es sind die vielen Menschen, die herrliche Badestrände, faszinierende Tauchsportreviere, spektakuläre Naturerbe- und romantische Kulturerbe-Stätten besuchen und betreten möchten: Der hohe Wasser- und Stromverbrauch, die Abwässer, das Müllproblem, das Ausbaggern von Fahrrinnen für immer größere Luxusschiffe – all das überfordert viele Traumziele auf Dauer. Denn jede Insel, jeder Strand und jeder Nationalpark hat eine ökologische Aufnahmegrenze. Wird sie überschritten, dann wird die Natur-Ressource, derentwegen Touristinnen und Touristen gekommen sind, zerstört. Und damit auch die Lebensgrundlage für die einheimische Bevölkerung und zukünftige Generationen. Das gilt für jede Art von Tourismus am Meer – ob exklusive Ressorts, bettenburgartige Hotelanlagen oder eben Kreuzfahrtdestinationen.

 

Was bislang auf globaler Ebene fehlt, ist eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Steuerung der Tourismusströme. Lokal wird das schon praktiziert, wenngleich es eher zu den großen Ausnahmen gehört. Wie etwa auf der zu Kuba gehörenden Inselgruppe Jardines de la Reina, in deren Gewässer jährlich maximal 500 Taucherinnen und Taucher zugelassen sind. Rigoros reagierten Behörden auch in Thailand: Sie sperrten die bei Urlauberinnen und Urlaubern beliebte Insel Koh Tachai. Der Grund waren Umweltschäden durch zu viele Besucherinnen und Besucher. An diesem Beispiel zeigt sich aber auch die Gerechtigkeitsfrage des Tourismus: Wenn die Aufnahmekapazität der Ziele begrenzt wird, wer darf dann noch dorthin? Nur jene, die es sich leisten können?

Eine tiefgreifende Tourismuswende erfordert ein Umdenken sowohl auf Seiten der Politik als auch bei Unternehmen und Reisenden: Nicht die schlichte Förderung des Tourismus sollte zur Strategie erhoben werden, sondern die Unterstützung von Maßnahmen, die einen zukunftsfähigen Tourismus möglich machen, bei gleichzeitiger Abkehr von nicht nachhaltigen Praktiken in der Branche.

Das Jahr 2017 wurde von den Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr des nachhaltigen Tourismus für Entwicklung ernannt. Es wird sich zeigen, wie ernst die internationale Gemeinschaft und die Staaten die Agenda 2030 nehmen und ob sie im Tourismus ein konsequentes Gegensteuern in Gang setzen.

Die Steuerung der Tourismusströme mit Kapazitätsbeschränkungen ist ein wirksames Instrument, um sicherzustellen, dass auch nachfolgende Generationen Traumziele haben werden, die sie besuchen können. Sich dieser Realität zu stellen und diese zu kommunizieren, liegt in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen und der Tourismusindustrie. Und es liegt in der Macht der Touristinnen und Touristen, einen nachhaltigen Tourismus auch einzufordern.

» Den gesamten Meeresatlas können Sie hier herunterladen.