Die Zukunft von Zwangsmigrierten in der ASEAN

Wie ASEAN mit Zwangsmigrierten umgeht zeigt, in wie weit die Leitlinien “people-oriented” und “people-centered” (an den Menschen orientiert und auf sie fokussiert zu sein) wirklich angewandt werden. Diese marginalisierte Gruppe wurde in der Vergangenheit gut integriert, doch heute scheinen Integrationsbemühungen nicht inklusiv zu sein.

Zwei Kinder schauen aus einem Fenster
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Geflüchtete Kinder in Malaysia schauen aus einem Fenster

Dieser Beitrag ist Teil unseres Dossiers 50 Jahre ASEAN – Welche Rolle spielt soziale und ökologische Gerechtigkeit?

Die Association of Southeast Asian Nations (ASEAN, Vereinigung südostasiatischer Staaten) feiert 2017 ihr 50-jähriges Bestehen, und dies fällt mit dem Vorsitz der Philippinen unter dem Motto „Partnerschaft für den Wandel, Dialog mit der Welt“ zusammen. Entwickelt sich die regionale Gruppierung ASEAN ein halbes Jahrhundert nach ihrer Gründung positiv oder negativ?

Im Allgemeinen hat die ASEAN in vielen Bereichen recht gute Fortschritte vorzuweisen, u.a. regionale Integrationsbemühungen, Überbrückung von Entwicklungslücken, Friedenssicherung und Verbesserung der sozialen Landschaften in der gesamten Region.

Dennoch ist solcher Fortschritt nicht flächendeckend. Mit anderen Worten, er ist bis heute nicht voll und ganz inklusiv. Es gibt gefährdete Teile der Bevölkerung, die nicht einbezogen oder im Integrationsprozess zurückgelassen werden. Eine solche Gruppe sind Zwangsmigrierte, die auch als Geflüchtete und Asylsuchende bezeichnet werden.

Bis 2015 waren insgesamt 284.949 Geflüchtete und Asylsuchende in Kambodscha, Indonesien, Malaysia, Thailand und den Philippinen registriert (UNHCR 2017). Im selben Jahr waren in keinem anderen ASEAN-Mitgliedstaat Geflüchtete registriert.

Eine einfache Frage, deren Beantwortung aufschlussreich wäre: Werden Zwangsmigrierte, die in ASEAN-Mitgliedstaaten Zuflucht suchen, in der nationalen Volkszählung miterfasst? Oder gehören sie zu den fast 630 Millionen Menschen in der ASEAN (ASEAN 2016)? Falls nicht, ist es unwahrscheinlich, dass sie an nationalen Entwicklungsinitiativen beteiligt werden, geschweige denn an regionalen Integrationsinitiativen.

Entwicklung der erzwungenen Migration

Auch ohne genaue Zahlenangaben zu kennen ist es unwahrscheinlich, dass die Zahl der Menschen, die vor Verfolgung fliehen, in der nahen Zukunft zurückgeht. Geopolitische Unsicherheit, andauernde Bürgerinnen- und Bürgerkriege, militärische Interventionen und Menschenrechtsverletzungen, die in fast allen Teilen der Welt stattfinden, sorgen dafür.

Die Trends der erzwungenen Migration haben sich aufgrund der Globalisierung, des technologischen Fortschritts und der verstärkten Verkehrsverbindungen unkonventionell entwickelt. Folglich handelt es sich bei der ASEAN nicht mehr um einen sicheren Zufluchtsort für Asylsuchende aus den einzelnen ASEAN-Mitgliedstaaten, sondern auch für diejenigen aus anderen Regionen und Kontinenten.

Beispielsweise wurden etwa 14 Prozent der insgesamt 65,3 Millionen Zwangsmigrierten von Ländern der Region Asien-Pazifik aufgenommen, wobei die Mehrheit (53 Prozent) aus drei Ländern stammt- Somalia, Afghanistan und Syrien (UNHCR 2017). Die Art und Weise, in der die ASEAN auf diese Trends reagiert, hängt vor allem vom Engagement der einzelnen Mitgliedstaaten und der geteilten Verantwortung ab, die Region zu einem Ort zu machen sollten, den alle Heimat nennen können.

Dieser Artikel versucht zu erörtern, wie die ASEAN sicherstellen könnte, dass ihre regionalen Integrationsbemühungen tatsächlich „inklusiv“ sind und Zwangsmigrierten in der Region eine bessere Zukunft garantieren. Er untersucht auch, welche Verpflichtungen die ASEAN und ihre Mitgliedstaaten in der Vergangenheit eingegangen sind.

In welchem Maße haben die bisherigen Erfahrungen die regionale Gruppierung und ihre Mitgliedstaaten dahingehend beeinflusst, die gegenwärtige Situation der erzwungenen Migration anzupacken? Wichtiger: Wie können die ASEAN und ihre Mitgliedstaaten zukünftig am besten auf die Situation der erzwungenen Migration reagieren?

Der regionale Ansatz für den Umgang mit Geflüchteten aus Indochina

Der regionale Ansatz für den Umgang mit einem massiven Zustrom von unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten innerhalb der Region Südostasien ist kein neues Phänomen. Die Gründungsmitglieder der ASEAN, nämlich Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur und Thailand, waren in den späten 1970er Jahren Asylländer für fast eine halbe Million Geflüchtete aus Indochina, und dies war bis in die frühen 1990er Jahre weiterhin der Fall.

Jeder Mitgliedstaat hatte seine geteilte Verantwortung. Malaysia, Thailand und Indonesien spielten die führende Rolle, indem sie mehr Räume und Möglichkeiten für vorübergehenden Schutz für die Geflüchteten aus Indochina zur Verfügung stellen, bevor sie in Drittstaaten umgesiedelt oder in ihre Heimat zurückgeführt wurden.

Trotz Platzbeschränkungen verpflichtete sich Singapur 1979, etwa 900 Geflüchtete aufzunehmen, und 1982 weitere 480 (UNHCR 2017). Trotz ihrer abgelegenen Lage gelang es den Philippinen in ähnlicher Weise, 1979 5.300 Geflüchteten Asyl zu gewähren, und diese Zahl hat sich 1980 auf 20.300 fast vervierfacht (UNHCR 2017).

Diese Verpflichtung wurde nicht eingegangen, ohne die Risiken und Konsequenzen für die ASEAN oder ihre Mitgliedstaaten in der Zukunft zu erkennen. Die ASEAN hat bestätigt, dass eine solche Verpflichtung einen Präzedenzfall schaffen würde und dass sie letztlich als „Magnet für Geflüchtete“ fungieren würde, der immer mehr Asylsuchende anziehen würde.

Die einzelnen Mitgliedstaaten befürchteten ebenfalls, dass eine solche Verpflichtung weitere soziale Probleme in ihren Ländern schaffen würde. Behörden würden mit den ökonomischen Kosten und dem Verwaltungsaufwand konfrontiert, die der Umgang mit dem Zustrom an Geflüchteten und die Koordination der humanitären Hilfe seitens internationaler Organisationen mit sich brächte (Suhrke 1980).

Trotz zahlreicher Zweifel zeigte der gemeinsame Entschluss, Geflüchteten aus Indochina zeitlich befristet Asyl zu gewähren, die Haltung der ASEAN und ihre positive Reaktion auf die komplexe und in hohem Maße politisierte Situation der Geflüchteten in der Region.  Drei Feststellungen könnten besser erklären, warum ein solches Engagement von den späten 1970er Jahren bis zu den frühen 1990er Jahren erfolgreich war, aber gegenwärtig nicht notwendigerweise wiederholt werden kann.

Der Umgang mit erzwungener Migration in der Vergangenheit

Erstens gab es damals eine größere internationale Reaktion und Verpflichtung von Drittstaaten, etwa den USA, und internationale Organisationen waren in der Lage, die Belastung der Erstasylländer in der ASEAN zu senken, indem sie Geflüchtete zügig umsiedelten und erhebliche finanzielle Unterstützung leisteten.

Beispielsweise wurde die monatliche Umsiedlungsquote in Drittländer im Zeitraum 1979 bis 1980 auf 23.000 Antragstellerinnen und Antragsteller erhöht, wovon zwei Drittel von den USA aufgenommen wurden. Auf der finanziellen Seite haben internationale Organisationen in den sechs Monaten von Oktober 1979 bis März 1980 etwa 100 Millionen US-Dollar für die Geflüchteten in Thailand ausgegeben, während der UNHCR Malaysia etwa 30 Millionen US-Dollar zur Verfügung stellte (Suhrke 1980).

Da die USA sowie internationale und zwischenstaatliche Organisationen Verpflichtungen eingingen, sank die Zahl der vorübergehend in ASEAN-Mitgliedstaaten untergekommenen Geflüchteten rapide, wie auch die dadurch entstehenden Kosten für die Asylländer.

Zweitens war Vietnam (das Land, aus dem die Mehrheit der Geflüchteten aus Indochina stammten) bis 1995 kein Mitglied der ASEAN. Daher war die kollektive Verpflichtung der ASEAN-Mitgliedstaaten, Geflüchteten aus Indochina vorübergehend Schutz zu gewähren, mit dem ASEAN-Prinzip der Nichteinmischung nicht unvereinbar.

Drittens: hinter der Bereitschaft von ASEAN-Mitgliedstaaten, das Risiko einzugehen und die geteilte Verantwortung zu übernehmen, vorübergehenden Schutz zu bieten, war die Absicht, eine gute Beziehung zu den USA zu pflegen, mit dem sehr klaren Ziel, ein Gegengewicht zum wachsenden Einfluss von China und der Sowjetunion in der Region zu bilden.

Dies sind die drei Faktoren, die in der Vergangenheit halfen, die kollektive Antwort der ASEAN und ihrer Mitgliedstaaten beim Umgang mit erzwungener Migration zu stärken.

Eine regelbasierte Verpflichtung im Zeitalter der Unsicherheit

Die heutige ASEAN besteht aus zehn Mitgliedstaaten, darunter Länder, aus denen Menschen geflüchtet waren, etwa Kambodscha, die Volksrepublik Laos, Myanmar und Vietnam. Führungspersönlichkeiten der zehn ASEAN-Mitgliedstaaten kamen 2007 in Singapur zusammen, um ihre kollektiven Integrationsbemühungen weiter zu stärken. Dabei bezeugten sie die Schaffung der ASEAN-Charta und unterzeichneten sie, wodurch sie ein rechtlich verbindliches Dokument für die regionale Gruppierung wurde.

Zweifellos ist die Schaffung der ASEAN-Charta eine Manifestation einer erneuten politischen Verpflichtung, den gemeinschaftsbildenden Prozess zu fördern.

Die Charta bereitete außerdem den Weg für die erweiterten Rollen und Aufträge der ASEAN-Außenministerinnen und Außenminister und die Bildung neuer ASEAN-Gremien im Zusammenhang mit Menschenrechten, darunter die ASEAN Intergovernmental Commission on Human Rights (AICHR, Zwischenstaatliche ASEAN-Menschenrechtskommission) und die ASEAN Commission on the Promotion and Protection of the Rights of Women and Children (ACWC, ASEAN-Kommission für die Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen und Kindern).

Diese regionalen Menschenrechtsinstitutionen sollen die Rechte von Bürgerinnen und Bürger der ASEAN in Übereinstimmung mit der ASEAN Human Rights Declaration (AHRD, ASEAN-Erklärung der Menschenrechte), der ASEAN-Charta und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte fördern und schützen. Anders als in der Charter der Grundrechte der Europäischen Union werden in keinem dieser Schlüsseldokumente der ASEAN, einschließlich der ASEAN-Charta und der AHRD, die Begriffe „Geflüchtete“, „Asylsuchende“ oder „Zwangsmigrierte“ erwähnt.

Dies liegt daran, dass Kambodscha (1992) und die Philippinen (1981) als einzige Mitgliedstaaten die Flüchtlingskonvention von 1951 und das dazugehörige Protokoll von 1967 ratifiziert haben. Die übrigen Mitgliedstaaten haben die Konvention nicht ratifiziert, und es besteht kein Anhaltspunkt für ihre Absicht, dies zu tun.

In Staaten, die der Flüchtlingskonvention von 1951 nicht beigetreten sind, u.a. Thailand, Malaysia und Indonesien, wird der Begriff „Geflüchtete“ bzw. „Geflüchteter“ in nationalen Gesetzen, Politiken und Verwaltungsverfahren nicht offiziell anerkannt oder erwähnt.

Abgesehen vom mangelnden kollektiven politischen Engagement der regionalen Gruppierung bestehen weitere Punkte, die die mangelnde Bereitschaft einzelner Mitgliedstaaten besser erklären könnten, hinsichtlich des Umgangs mit der erzwungenen Migration in der Region eine rechtlich verbindliche Verpflichtung einzugehen.

Die ASEAN-Außenminister treffen sich mit Vertretern der AICHR (ASEAN Intergovernmental Commission on Human Rights), Kuala Lumpur, Malaysia 2015

Gründe für mangelnde Aufnahmebereitschaft

Erstens haben neu entstehende und komplexe Sicherheitsgefährdungen in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges stark zugenommen und dabei Staaten und Gesellschaften geschwächt und transnationalen Sicherheitsrisiken ausgesetzt. Dazu gehören Bedrohungen, die von Terrorismus und Militanz ausgehen, das Schmuggeln atypischer Immigrantinnen und Immigranten, Menschenhandel sowie Drogen- und Waffenschmuggel – die alle im weiteren Zusammenhang mit den Fluchtbewegungen in der Region stehen.

Die komplexe Natur dieser Bedrohungen veranlasste ASEAN-Mitgliedstaaten, übermäßig viel Wert auf Schutz zu legen. In der Folge waren sie nicht bereit, eine regelbasierte Verpflichtung bezüglich des Umgangs mit unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten einzugehen.

Mitgliedstaaten, darunter Thailand, Malaysia und Indonesien, behaupteten jedoch, dass sie trotz des Fehlens einer rechtlich verbindlichen Verpflichtung Geflüchteten minimalen Schutz gewähren würden, einschließlich, aus humanitären Gründen, der Beachtung des Prinzips der Nicht-Zurückweisung.

Zweitens entstanden neue Trends der erzwungenen Migration, insbesondere aus anderen Regionen und Kontinenten in ASEAN-Länder, in der Zeit nach dem Ende des Kalten Krieges. Obwohl die Anzahl Menschen, die in ASEAN-Mitgliedstaaten Zuflucht suchten, von 1980 (437.530) bis 2015 (284.949) um fast die Hälfte zurückging (UNHCR 2017), ist die Vielfalt an Nationalitäten heute größer als je zuvor.

Beispielsweise ist Malaysia heute Asylland für unfreiwillige Migrantinnen und Migranten aus Angola, Burundi, Bhutan, der Zentralfrikanischen Republik, Kamerun, der Demokratischen Republik Kongo, Algerien, Guinea, Äthiopien, dem Iran, dem Irak, Kenia, Kuwait, Ruanda und dem Senegal (neben Myanmar) (UNHCR 2017).

Ähnliche Trends der erzwungenen Migration waren in Thailand und Indonesien mit einer verglichen mit den 1990er Jahren größeren Zahl verschiedener Nationalitäten zu verzeichnen. Von den insgesamt 284.949 registrierten Geflüchteten in den ASEAN-Mitgliedstaaten sind etwa 11,3 Prozent (32.127) aus Nicht-ASEAN-Staaten, wobei die Mehrheit aus den Regionen Westasien, Südasien und bestimmten Regionen Afrikas stammt.

Dies deutet darauf hin, dass die Bevölkerungsgruppe der unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten wahrscheinlich die schwierigste Herausforderung für die regionale Gruppierung in der Zukunft sein wird.

Für Zwangsmigrierte eine bessere Zukunft schaffen

In dieser Zeit der geopolitischen Unsicherheit, der ungleichen Entwicklung und der tiefgreifenden Ungleichheit können weder die Vergangenheit noch die gegenwärtige Situation die Zukunft Geflüchteten in der Region voraussagen. Die beste Möglichkeit, die Zukunft Zwangsmigrierter in der Region vorherzusagen ist, sie selbst zu schaffen.

Um jedoch eine bessere Zukunft zu schaffen, sind seitens der ASEAN und ihrer einzelnen Mitgliedstaaten starke Führung, politische Entschlossenheit, eine Bereitschaft zur Lastenteilung sowie Schutzverantwortung erforderlich.

Eine konkrete regionale Verpflichtung, auf die erzwungene Migration zu reagieren, kann nur erreicht werden, wenn die Mehrheit der einzelnen Mitgliedstaaten über eine klare Position sowie Engagement auf der nationalen Ebene verfügen. Dies ist allerdings in der ASEAN bislang nicht der Fall.

Einzelne Mitgliedstaaten, insbesondere Länder wie Thailand, Malaysia und Indonesien, in denen die meisten Geflüchteten leben, sollten eine führende Rolle spielen, indem sie ihren humanitären Ansatz in eine rechtlich verbindliche Verpflichtung transformieren, um die unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten konkret und dauerhaft zu schützen.

Die Angst vor den unbekannten Konsequenzen einer rechtlich verbindlichen Verpflichtung sollte Länder nicht davon abhalten, die Flüchtlingskonvention von 1951 zu ratifizieren, da die Motive der erzwungenen Migration nicht durch den Ratifizierungsstatus eines Mitgliedstaats bestimmt werden.

Beispielsweise hat Malaysia die Flüchtlingskonvention von 1951 noch nicht ratifiziert und erkennt keine Geflüchteten im Land an, aber die Zahl der Asylsuchenden ist von 2000 bis 2015 erheblich gestiegen: von 5.412 auf 154.486 (UNHCR 2017).

Dies legt den Schluss nahe, dass die Korrelation zwischen dem Ratifizierungsstatus eines Landes hinsichtlich der Flüchtlingskonvention von 1951 und dem Phänomen, in der Region ein „Magnet für Geflüchtete“ zu sein, schwach ist.

Geographische Faktoren, die Möglichkeit, von verschiedenen wirtschaftlichen Aktivitäten zu profitieren, etwa dem informellen Arbeitsmarkt in Malaysia, Thailand und Indonesien, und der minimale Schutz für Geflüchtete haben zusammengenommen als Pull-Faktoren fungiert, die es für Asylsuchende attraktiv machte, in den jeweiligen Ländern Schutz zu suchen, sogar ohne rechtlich verbindliche Verpflichtung.

Motive hinter der erzwungenen Migration

Die ASEAN und ihre Mitgliedstaaten sollten auch die Motive (Push-Faktoren) hinter der erzwungenen Migration anerkennen, wobei Geflüchtete gezwungen werden, ihr Heimatland auf der Suche nach internationalem Schutz zu verlassen und dabei über wenige Optionen verfügen.

Unter solchen Umständen werden Geflüchtete einen Weg finden, diese Länder zu erreichen. Dabei riskieren sie ihr Leben, indem sie sich von gleichgültigen Dritten schmuggeln lassen, die den Mangel an Integrität unter gewissen Mitgliedern des Kontrollpersonals ausnutzen.

Auf nationaler Ebene sollten einzelne Mitgliedstaaten den Zugang zur Justiz und zu Verwaltungsverfahren stärken und dabei gewährleisten, dass jede und jeder Einzelne der unfreiwilligen Migrantinnen und Migranten den gleichen Zugang zu Grundbedürfnissen und Rechten im Asylprozess haben.

Mitglieder zivilgesellschaftlicher Organisationen, u.a. medizinischer, religiöser und humanitärer Organisationen, sollten die erforderliche finanzielle Unterstützung und Hilfe erhalten, die ihnen ermöglichen, ihre Aufgaben effizient zu erfüllen. Die relevanten Behörden sollten mit den Mitgliedern der Organisationen Hand in Hand zusammenarbeiten, um mit Geflüchteten in Kontakt zu treten und die notwendige Hilfe anzubieten.

Die Bereitschaft einzelner Mitgliedstaaten, diese Verpflichtungen einzugehen, würde andere Mitgliedstaaten beeinflussen, dasselbe zu tun. Dies ist daran zu erkennen, dass die Regierungen von Indonesien, Malaysia und Thailand in Reaktion auf die Rohingya-Krise Ende 2016 miteinander konkurrierten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Ein wenig diplomatische Rivalität kann zwar nicht schaden, sie führt jedoch in keinem der drei Länder zu konkreten Verpflichtungen auf nationaler Ebene. Welche Rolle sollte die regionale Gruppierung angesichts des Mangels an nationaler Verpflichtung durch die einzelnen Mitgliedstaaten spielen?

Die ASEAN hat 2009 ihre regionale Menschenrechtsinstitution, die AICHR, mit dem übergreifenden Mandat etabliert, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen. Die AHRD schreibt in Artikel 16 der ASEAN und ihren Mitgliedstaaten die Verpflichtung vor, das Recht auf Asyl zu gewährleisten. Die AICHR ist gut dafür aufgestellt, ihr Mandat zur Entwicklung einer regionalen Strategie einzusetzen, die die Mitgliedstaaten zur Ratifizierung der Flüchtlingskonvention von 1951 ermutigt.

Dies würde ihre Verpflichtung stärken, gegenüber geflüchteten das Recht auf Asyl zu garantieren. Als jährlich tagendes Organ der ASEAN sollte die AICHR eine ständige Agenda zu erzwungener Migration einrichten, die in ihr Schwerpunktprogramm und Fünfjahresarbeitsplan eingebunden wird.

Strategische Kooperationen und Partnerschaften sind gefordert

Die Zunahme von Nicht-ASEAN-Geflüchteten in der Region deutet darauf hin, dass es sich nicht mehr um eine intraregionale Angelegenheit handelt, die ausschließlich mit internen Mitteln gelöst werden kann.

Da die ASEAN und die AICHR die übergreifenden regionalen Menschenrechtsorgane sind, sollten sie Wege ausloten, mit der Afrikanischen Union, der African Commission on Human & Peoples’ Rights, (ACHPR, Afrikanische Kommission für Menschen- und Völkerrechte) oder der Organisation of Islamic Cooperation (OIC, Organisation für islamische Zusammenarbeit) strategische Kooperationen und Partnerschaften mit dem spezifischen Fokus auf Angelegenheiten der erzwungenen Migration einzurichten.

Neben dem Einsatz des bestehenden regionalen Menschenrechtsmechanismus sollte die ASEAN eine konkretere und nachhaltigere Plattform entwickeln, in der Themen im Zusammenhang mit der erzwungenen Migration jenseits der drei Säulen der ASEAN-Gemeinschaft diskutiert werden können. Die Logik ist einfach.

Erzwungene Migration hat mit politischer Sicherheit, soziokultureller und ökonomischer Integration zu tun. Daher könnte eine vierte Säule der ASEAN-Gemeinschaft etabliert werden, um regionale Lösungen für komplexe Themen wie erzwungene Migration zu diskutieren.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Zwangsmigrierten mangels Alternative Teil der Gesellschaft in der ASEAN sind, und zwar seit der Krise der Geflüchteten aus Indochina in den späten 1970er Jahren bis hin zur Rohingya-Katastrophe in der jüngsten Zeit. Die unsichere internationale Reaktion, die die Belastung der Asylländer reduzieren soll, zeigt, dass Geflüchtete wahrscheinlich in einer „lang anhaltenden Situation“ sein werden, während sie auf eine definitive Lösung warten.

Während die ASEAN bestrebt ist, ihre regionalen Integrationsbemühungen zu stärken und ihre Zusicherungen umzusetzen, wahrlich inklusiv, auf die Menschen zentriert und an den Menschen orientiert zu sein, müssen die regionalen Gruppierung und ihre Mitgliedstaaten Möglichkeiten anbieten und die Zwangsmigrierten befähigen, Teil dieses regionalen Integrationsprozesses zu sein.

Die wachsende Präsenz von Geflüchteten aus Nicht-ASEAN-Ländern zeigt außerdem die Notwendigkeit auf, diesen Teil der erzwungenen Migration in der regionalen Agenda und den Integrationsinitiativen einzubinden. Die Grundüberlegung dahinter ist, die Geflüchteten besser zu managen und zu integrieren anstatt ihre Anwesenheit im Land zu ignorieren.

Erst dann werden Zwangsmigrierte gleichgültig welcher Nationalität in der Lage sein, eigenständig einen Beitrag zur Gesellschaft des Aufnahmelandes und zur regionalen Integration zu leisten und ihre eigene Zukunft zu schaffen.

 

LITERATUR

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Suhrke, Astri. 1980. Indochinese Refugees: The Impact of First Asylum Countries and Implications for American Policy [A Study Prepared for the Use of the Joint Economic Committee Congress of the United States, November 1980]. https://www.jec.senate.gov/public/index.cfm/1980/12/report-2b9a3aa8-525f-407a-86ba-2e6b4171e90e, letzter Zugriff: 12. März 2017.

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