Lektionen über Kohle und die Welt (1/6): Fördern und Fordern

Podcast

Unterwegs im Tagebau: Woher kommt die Kohle? Welche Folgen hat der Abbau für die Lausitz? Und wer haftet für die Folgeschäden? Die erste Folge einer sechsteiligen Podcast-Reihe zu Kohleaustieg und Energiewende.

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Der Tagebau Jänschwalde - "ein Loch bis zum Horizont"

Das Manuskript zum Mit- und Nachlesen:

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Oh mein Gott ist das riesig, so groß hätte ich es mir nicht vorgestellt… das geht ja noch…unendlich weiter.

René Schuster: Das Loch selbst, diese Rinne, ist vier Kilomter lang, aber sie wandert ja durch die Landschaft. Nach Süden haben wir jetzt etwa 10 Kilometer umgewühltes Land. Der Tagebau ist Ende der 70ern aufgeschlossen worden und seitdem nach Norden gewandert.

Das heißt, das ist die Richtung?

René Schuster: Ja, in diese Richtung. Immer, wenn die Förderbrücke hin und her gefahren ist, und den Abraum über der Kohle abgetragen hat, dann werden Gleise gerückt und beim nächsten Mal trägt sie zwei, drei Meter nördlich den Boden ab.

Vor mir breitet er sich aus: der Tagebau Jänschwalde. Ein Loch bis zum Horizont, umgewühlte Erde, abgeholzte Wälder und weiter hinten die rauchenden Kühltürme eines Kraftwerkes. Und wofür? Dass ich Strom für Laptop, Kühlschrank und Fernseher habe? Welche Folgen hat der Kohleabbau – für uns Menschen, für die Natur, für das Klima? Und was sind Alternativen?

Diese Fragen versuche ich für die Heinrich-Böll-Stiftung zu beantworten. Zuerst fahre ich in einen Tagebau, um zu sehen, wie Kohle abgebaut wird. Dann ich will wissen, welche Folgen die Verbrennung von Kohle hat: für das Klima und für die Menschen. In der dritten Folge will ich wissen, wie aus Kohle Geld wird. Im letzten Teil geht es dann zur Sache, ich bin mit Demonstrantinnen und Demonstranten im Rheinland und der Lausitz unterwegs, und ergründe, wie ein gerechter Ausstieg zu schaffen ist.

Ich beginne meine Recherche wie üblich und lese mir einige Artikel durch.

06. April. 2015, NT-V:
Bsirske: Kohleabgabe ist Jobkiller

06. Mai. 2016, Deutsche Wirtschaftsnachrichten:
Chaos in der Energie-Politik führt Deutschland in den Blackout

01. Juni. 2016, Frankfurter Allgemeine:
Bedroht der Klimawandel die Finanzmärkte?

21. Februar 2017, Gießener Anzeiger:
Energiewende lässt Kosten explodieren

Ob Gegner/innen oder Befürworter/innen, eigentlich ist allen klar: ein Ausstieg aus der Kohle ist unumgänglich. Wenn wir weiter munter Kohle verbrennen, dann verheizen wir unsere Zukunft. Und: mit der Kohle wird langfristig Geld verbrannt, denn das gesamte Kohlegeschäft ist jetzt schon betriebswirtschaftlich kaum profitabel, sagen Kritikerinnen und Kritiker.

Die Kosten für Umwelt und Gesundheit sind da noch nicht mal drin. Pfad und Zeitpunkt für den Kohleausstieg sind noch immer umstritten. Verbraucher/innen und Industrie befürchten, dass der Strom teurer wird. Um zu verstehen wie Kohle abgebaut wird, habe ich Betreiber von Tagebauen angeschrieben, denn ich wollte einen Tagebau aus der Nähe sehen und auch um ihren Standpunkt zu verstehen.

Die Konzerne wollten nicht. Kein Interesse, keine Zeit oder andere fadenscheinige Gründe. Also fahre ich auf eigene Faust in die Lausitz, nach Jänschwalde. Dort treffe ich einen Umweltexperten.

Ich bin der René Schuster von der Umweltgruppe Cottbus. Wir gehören zum Umweltverband Grüne Liga und da sind wir als Cottbusser Gruppe und ich ganz besonders für die Braunkohle zuständig.

Unterwegs im Tagebau in der Lausitz

René Schuster zeigt mir einen Tagebau in der Lausitz. Wir fahren vom Bahnhof nach Grießen. In der Ortschaft Grießen biegen wir ab, plötzlich endet die Straße. Unser Ziel ist eine Aussichtsplattform, am Ostrand des Tagebaus Jänschwalde. Bevor wir die Stufen hochsteigen, kommen wir an mehreren Informationstafeln vorbei. „Auf gute Nachbarschaft“, lese ich dort. Die Botschaft: wir haben alles im Griff:

Bei unseren Tätigkeiten achten wir darauf, Eingriffe in Natur und Landschaft auf ein vermeidbares Maß zu begrenzen und geeignete Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen.

Die Informationstafel „Auf gute Nachbarschaft“

Von einem Erdwall und einer Schutzwand ist die Rede, um Lärm und Staub abzuschirmen.

René Schuster: Wenn hier ordentlich Wind kommt, das ist ja eine freie Fläche über vier Kilometer, da kann der Wind sich ordentlich aufbauen und der bringt dann einiges an Sand und Staub mit nach Grießen und dann kann man nicht Kaffee trinken auf der Terrasse, dann knirscht es zwischen den Zähnen.

René Schuster erklärt, dass Tagebaue zu manchen Ortschaften nur einen Abstand von 200 bis 300 Metern haben. Zusätzlich werden mit den Tagebauen Verkehrsverbindungen gekappt, so hörte die Straße hinter Grießen nicht einfach auf, sondern ging weiter bis auf die andere Seite des Tagebaus. Die Tagebauumgehung nun ist ein großer Umweg für die Anwohnerinnen und Anwohner. Peanuts im Gegensatz zu den Umweltfolgen, die mich gleich beschäftigen werden. Jetzt schauen ich mit René Schuster erst einmal in die Grube.

René Schuster: Also wir sehen jetzt hier eine riesige Sandfläche, in der Mitte ist eine einhundert Meter tiefe Rinne, vier Kilometer lang und etwa 500 Meter breit. Da stehen die Geräte drin. Größtes ist die Brücke, die nimmt den Sand über der Kohle weg, und dazwischen ist also die Kohle freigelegt. Und da sind die etwas kleineren Kohlebagger.

Laut Betreiber holten die Kohlebagger im Tagebau Jänschwalde 2015 11,9 Millionen Tonnen Kohle aus der Erde. 34.200 Kubikmeter Sand bewegt die große Abraumförderbrücke in der Stunde. Während wir nach unten gehen, erklärt Schuster, warum so viel Erde umgewühlt werden muss. Die Kohle liegt nämlich 60 bis 120 Meter tief in der Erde.

Folge 1/6

Fördern und Fordern
Unterwegs im Tagebau: Woher kommt die Kohle? Welche Folgen hat der Abbau für die Lausitz? Und wer haftet für die Folgeschäden? Die erste Folge unserer sechsteiligen Podcast-Reihe.

Folge 2/6

Feiner Staub, großer Schaden
Wie entsteht aus Kohle Strom? Wie sauber ist das Steinkohlekraftwerk Hamburg-Moorburg wirklich? Und was hat das mit der peruanischen Gletscherschmelze zu tun? Antworten in der zweiten Folge.

Folge 3/6

Das Kapital der Kohle
Minen, Kraftwerke, Infrastruktur - woher bekommt die Kohleindustrie ihre Milliarden? Was passiert mit den Geldanlagen im Falle eines Kohleausstiegs? Die Divestment-Bewegung zeigt einen Weg aus dem Geschäft mit der Kohle. Mehr in der dritten Folge.

Folge 4/6

Der Strukturwandel
Der Kohleausstieg steht auf der politischen Agenda: Minen müssen geschlossen, Kraftwerke abgeschaltet werden. Welche Aspekte muss die Politik dabei beachten? Wie können neue Arbeitsplätze mit vergleichbaren Standards geschaffen werden? Antworten in der vierten Folge.

Folge 5/6

Die Energiewende
Wie schaffen wir Energiesicherheit ohne Kohle? Der Strommarkt muss sich radikal verändern, damit die Energieversorgung unabhängiger, dezentraler und regionaler wird. Die fünfte Folge.

Folge 6/6

Die Sektorenkopplung
Für eine komplette Energiewende darf der Strom aus erneuerbaren Energien nicht nur für die Steckdose reichen, sondern muss den Energiebedarf des gesamten Verkehrs und der Wärme decken. Wie kann das klappen? Die Antwort in der letzten Folge.

Kohle kommt in mehreren Varianten vor. Zur Energieerzeugung werden vor allem die Braun- und Steinkohle genutzt. Entstanden ist die Kohle vor etwa 300 Millionen Jahren.

Wie ist die Kohle entstanden?

Dort wo heute die Kohle liegt, wuchsen in der Karbonzeit Bäume, Farne oder Schachtelhalme. Diese standen nicht auf festem Untergrund, sondern in einem nassen, sumpfigen Gebiet. Das lag daran, dass die Wälder zumeist am Rand von flachen Gewässern standen. Zuerst verrotteten die Wälder zu Torf. Nach und nach sinken die Torflager ab und werden von Geröll und Schlamm zugedeckt.

Hin und wieder werden sie von Meeren überspült und das ganze wiederholt sich von vorne. Stellen wir uns einen Aufzug vor und steigen ein. Je tiefer wir kommen desto höher Druck und Temperatur. Sauerstoff gibt es längst keinen mehr. Unter Druck entsteht aus den Urzeitwäldern in Jahrmillionen nun Kohle.

Wolfgang Rupieper

Ganz unten liegt die Steinkohle. Oder die Steinkohleflöze wie Expertinnen und Experten sagen. Die größten Vorkommen liegen in den USA, gefolgt von China und Indien. In Deutschland gibt es kleinere Vorkommen im Ruhrgebiet. Ein Stockwerk höher folgt die Braunkohle. Die größten Braunkohlevorräte liegen in Deutschland, gefolgt von China und Russland. Oben mit unserem Aufzug angekommen sehen wir dann den Torf.

Je älter die Kohle, desto höher ihr Kohlenstoffgehalt und der Heizwert. Neben Kohlenstoff besteht die Kohle hauptsächlich aus Wasserstoff, Stickstoff, Schwefel und Sauerstoff. Die gespeicherten Verbindungen werden bei der Verbrennung freigesetzt, so wie das gespeicherte Kohlenstoffdioxid, das zur Klimaerhitzung führt. Das beschäftigt mich in der nächste Folge genauer. Wer nicht warten will, der kann im Kohleatlas der Heinrich-Böll-Stiftung nachlesen.

Für den Kohleabbau wird sogar das Grundwasser abgesenkt

Für jetzt ist wichtig, die Kohle liegt tief in der Erde. Außerdem ist in dieser Tiefe noch etwas anderes ausreichend vorhanden: Grundwasser. Das stört natürlich beim Abbau und wird deswegen abgesenkt.

René Schuster: Da ist es so, dass das Grundwasser, das der Tagebau absenkt, sich kilometerlang ins Umland auswirkt. Feuchtgebiete fallen trocken, Bäume vertrocknen, Seen, in denen der Wasserstand absinkt. Das passiert an jedem Tagebau, wenn man den Tagebau nicht abdichtet.

Moment…einen Tagbau abdichten? Ich habe eine riesige Badewanne im Kopf oder …ist das wie so Spundwände, wenn in einer Stadt gebaut wird in Flußnähe….?

René Schuster: Nee, das ist eine senkrechte Tonschicht, die unter der Kohle auf einem relativ dichten Horizont aufsetzen muss, also Schluff oder Ton, ist aber unter der Kohle meistens vorhanden.

Umweltverbände begrüßen die Technologie, allerdings wird sie nicht überall angewandt, so Schuster.

René Schuster: Wir hatten in den 90ern die Diskussion, ob man im Tagebau Jänschwalde so eine Dichtwand bauen könnte, da hieß es wegen der Pleistozänen Rinne geht das nicht. Jetzt baut man im Tagebau Welzow Süd durch genau so eine Rinne durch. Wenn man will, geht es also doch.

Und wenn die Dichtwand funktioniert, dann wäre die Grundwasserabsenkung lokal begrenzt und wirkt sich nicht mehr auf einen viel größeren Bereich aus. Was aber keineswegs heißt, dass damit der Tagebau keine Folgen mehr für die Ökosysteme in der Region hat. Welche Folgen das sind, zeigt mir René Schuster im etwa 25 Kilometer entfernten Heinersbrück.

René Schuster: Es geht noch brauner, das Wasser in der Lausitz, aber man sieht schon, dass der ganze Gewässergrund mit Ocker zugesetzt ist. Man sieht es auch an den Blättern, die sind alle braun. Das ist so ein typisches verockerstes Fließgewässer.

Wir stehen am Rand der Malxe, ein kleines Flüsschen, das direkt aus dem Tagebau kommt: dreckig und braun. Die braune Farbe entsteht durch Eisen. Das Grundwasser in der Lausitz hat einen sehr hohen Eisenanteil, bedingt durch den Eisengehalt in der Erde. Solange das Grundwasser und damit das Eisen nicht an die Luft kommt, passiert nicht viel. In den alten DDR´-Tagebauen steigt das Grundwasser wieder an. Weil es ja, wie ich vorhin erzählt habe, künstlich gesenkt wurde.

René Schuster: So nach 30, 40, 50 Jahren nach dem Kohleabbau, wenn das Grundwasser wieder an der Oberfläche ankommt und dann von der Seite in die Fließgewässer drückt, wo man natürlich an keiner Stelle das Wasser abfangen kann oder eine Reinigungsanlage bauen kann. Und dieses Eisen reagiert mit dem Sauerstoff und flockt als Eisenhydroxidocker aus.

Welche Folgen hat die Absenkung des Grundwassers für die Umwelt?

Eisenhydroxid wird auch Goethit genannt, benannt nach Johann Wolfgang von Goethe. Die Verbindung ist schwerer als Wasser, setzt sich deswegen am Boden ab und legt sich wie ein Schleier über den Grund, der Fluss stirbt.

René Schuster: Weil dann keine Pflanzen mehr wachsen am Gewässergrund, weil Insektenlarven und Fische ersticken können, weil sich das auch an den Kiemen absetzt.

Um die Folgen der Verockerung zu begrenzen und auf das Problem aufmerksam zu machen, hat sich das Aktionsbündnis „Saubere Spree“ gegründet. Die Sorge: Was ist, wenn die Verockerung das Biosphärenreservat Spreewald erreicht, Pflanzen und Tiere sterben? Der Schaden für den Tourismus wäre unkalkulierbar. Auf meinen Einwand, dass die Verockerung auf die alten DDR-Tagebaue zurückzuführen ist, schüttelt Schuster den Kopf.

René Schuster: Das große Problem ist, dass jeder heute aktive Bergbau das gleiche Problem verursachen wird und jeder, den man zusätzlich genehmigt, wieder ein paar Jahrzehnte später…

Im Tagesspiegel lese ich, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon ausgehen, dass die Belastungen 50 bis 100 Jahre andauern können. René Schuster und ich sind am Ende unserer Tour angekommen. Der Ausflug hat mir gezeigt, dass die Folgen des Kohleabbaus das ganze Ökosystem betreffen und die Lausitz noch einige Jahrzehnte beschäftigen werden. Im Guten wie im Schlechten.

Wenn die Braunkohle verschwindet, verschwinden auch Arbeitsplätze

Wolfgang Rupieper sieht in der Kohle vor allem das Gute. Er empfängt mich im Büro des Vereins in Cottbus. Lobbyist nennen ihn die einen, er selbst sagt, dass er jenen eine Stimme geben möchte, die für die Lausitzer Braunkohle sind. Denn die Braunkohle ist ein wichtiger Arbeitgeber. Verschwindet die Braunkohle, verschwinden Arbeitsplätze, so die Rechnung.

Wolfgang Rupieper: Die müssten sich in der Bundesrepublik irgendwo anders ein Zuhause suchen, ohne eine Entschädigung zu bekommen. Und das ist natürlich die Gewichtung. Dass die auch ihre Heimat verlieren. Sie würden hier gerne in der Lausitz bleiben wollen, finden aber keinen Arbeitsplatz mehr.

Ende März 2017 verkündete die LEAG, der Betreiber der Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz, ihr neues Revierkonzept. Demnach werden Planungen für Jänschwalde-Nord aufgegeben und Nochten 2 wird nur teilweise erweitert. Die Entscheidung über die Erweiterung von Welzow Süd II vertagte die LEAG auf 2020.

Der Verzicht auf neue Tagebaue und Tagebauerweiterungen ist eine betriebswirtschaftliche Entscheidung des Unternehmens. Die LEAG verzichtet auf die kostspielige Erweiterung, weil sich die Investitionen nicht mehr lohnen. Die Nachfrage an Braunkohlestrom wird in den nächsten Jahre deutlich zurückgehen.

Mit Kohle lässt sich kaum noch Geld machen. Wenn Braunkohle-Unternehmen mit der Kohle kaum noch Kohle machen, was ist dann mit den Folgekosten des Braunkohle-Tagebaus? Das erinnert mich an die Diskussion zum Atommüll. Die Frage, wer für die Folgekosten des Braunkohle-Tagebaus aufkommt, also zum Beispiel für die Rekultivierung der riesigen Flächen, ist als ”Rückstellungs-Problematik” bekannt. Ich verabrede mich mit zwei Expertinnen in Berlin, die mir das erörtern.

Annalena Baerbock. Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg für Bündnis 90 Die Grünen und klimapolitische Sprecherin meiner Fraktion.

Wer trägt die Folgekosten des Kohleabbaus?

Eine Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung und anderen Umweltorganisationen vom Juni 2016 hat herausgefunden, dass es große Schwächen bei der Rückstellungspraxis gibt. Daniela Setton vom Institute for Advanced Sustainability Studies Potsdam ist Mitautorin.

Daniela Setton: Die ganze Berechnung dieser Rückstellungspraxis ist intransparent. Das wissen eigentlich nur die Bergbaubetreiber, auch die Behörden kontrollieren das aus unserer Sicht nur unzulänglich, weil sie teilweise auch nicht die Kapazitäten haben. Das heißt, die ganze Frage ‚sind die Rückstellungen in der ausreichenden Höhe kalkuliert‘ ist eine Frage, die die Öffentlichkeit nicht kontrollieren kann.

Bisher, so lese ich in der Studie, ist nicht ersichtlich, inwiefern die Braunkohleunternehmen ausreichend Rückstellungen gebildet haben.

Daniela Setton: Sie haben manchmal in 20, 40, 50, 60 Jahren Maßnahmen, die anfallen. Vielleicht gibt es diese Unternehmen gar nicht mehr. Oder was ist, wenn ein Unternehmen Insolvenz geht? Was ist beim Verkauf eines Unternehmens, wie es jetzt in Brandenburg passiert ist und Sachsen? Vattenfall hat seine Braunkohlesparte verkauft an einen neuen Akteur. Die LEAG jetzt, die zusammengesetzt ist aus zwei Unternehmen, wo zumindest eines sehr komplizierte Unternehmensverflechtungen hat, wo sie im Zweifel fragen müssen ‚wer haftet da eigentlich?‘

Hören wir noch einmal Annalena Baerbock dazu.

Daniela Setton: Wir haben jetzt gerade die große Einigung zu den Atomrückstellungen, wo der Steuerzahler jetzt für das aufkommen muss, was die Konzerne nicht rückgestellt haben. Das gleiche haben wir auch im Bereich der Braunkohle. Ich komme aus Brandenburg - allein in den Jahren seit 1990 hat der Rückbau in Brandenburg von den DDR-Tagebauen einen zweistelligen Milliardenbetrag verschlungen.

Wir wissen jetzt, dass Kohle vor 300 Millionen Jahren entstanden ist, dass Braunkohle in Deutschland ausreichend vorhanden ist, der Abbau aber mit erheblichen Folgen für Mensch und Natur verbunden ist. Kohle wird in Kraftwerken in Strom und Wärme, in Hochöfen zu Koks zu umgewandelt. In Deutschland stehen weit über 100 Kohlekraftwerke.

Das modernste Kohlekraftwerk in Deutschland ist gerade einmal seit zwei Jahren in Betrieb. Ob Kohle wirklich so klimaschädlich ist und ob moderne Kohlekraftwerke es mit Wind & Sonne aufnehmen können, werde ich im nächsten Podcast herausfinden.

Das war der erste von sechs Teilen einer Podcast-Reihe zum Ausstieg aus der Kohle. Sie können alle Episoden abonnieren, oder bei Soundcloud, Deezer und Spotify hören. Mehr zum Thema finden Sie in unserem Kohleatlas.

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Ein Böll.Spezial von Jan Schilling.
Ton und Technik: Jan Schilling
Redaktion: Stefanie Groll