Wirtschaft: Vom Rand in die Mitte

Energieatlas

Erneuerbare werden immer konkurrenzfähiger. Sie sorgen für Wachstum und Arbeitsplätze, aber in der Energiepolitik geht das Umdenken noch längst nicht weit genug. An den Finanzen mangelt es dabei nicht.

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Die zwölf EU-Länder mit den meisten Emissionen zeigen bei Energie und WIrtschaft keine einheitlichen Trends

Noch vor zehn Jahren hielten viele die erneuerbaren Energien für eine Bedrohung des wirtschaftlichen Wohlstands und Wachstums in ganz Europa. Insbesondere Vertreter/innen der Kohleindustrie behaupteten, dass Windkraft, Solarenergie und Biomasse einfach zu teuer seien und realistischer Weise nie mehr als drei bis vier Prozent des Strombedarfs decken könnten. Doch einige europäische Länder, allen voran Dänemark und Deutschland, haben trotz der Kosten und unklaren Erfolgsaussichten kräftig in die Erneuerbaren investiert.

Heute sind erneuerbare Energien keine Randtechnologien mehr. Vielmehr machten sie innerhalb der letzten elf Jahre den Großteil der neu geschaffenen Stromerzeugungskapazitäten der EU aus. 2015 stammten 16,7 Prozent des Endenergieverbrauchs der EU aus erneuerbaren Energien. Der größte Schub kam durch die schnell sinkenden Kosten dieser Technologien. Seit 2009 sind sie für Sonnenenergie um 75 Prozent und für Windenergie um 66 Prozent gefallen. Natürlich bestehen zwischen den EU-Ländern noch deutliche Unterschiede.

Erneuerbare Energien erhalten weniger Subventionen als fossile Brennstoffe

Erneuerbare machen derzeit in Finnland und Schweden 30 Prozent des Energieverbrauchs aus, in Luxemburg und Malta nur fünf Prozent.
Ein Trend ist jedoch deutlich: Erneuerbare werden immer konkurrenzfähiger. Ihr Ausbau hat dazu beigetragen, dass die EU den Verbrauch fossiler Brennstoffe seit 2005 um elf Prozent reduziert hat und die Importrechnung für fossile Brennstoffe seit 2013 um mehr als 35 Prozent gesunken ist. Erneuerbare wurden hauptsächlich als Ersatz für Kohle und Erdgas eingesetzt. Die Substitution von Öl war weniger erfolgreich, weil erneuerbare Energieträger im Verkehrssektor noch nicht weit verbreitet sind; Mineralöl ist hier der Haupttreibstoff.

Volkswirtschaftlich sinnvoll: bei sinkenden Importpreisen die Einsparungen nutzen, um in die weitere Verringerung der Importe zu investieren

In ganz Europa haben die fossilen und nuklearen Brennstoffe von kräftigen öffentlichen Subventionen profitiert. Auch für die Erneuerbaren gab es Anreize, etwa mit den Einspeisetarifen, bei denen Erzeuger erneuerbarer Energien einen festen Kaufpreis für den von ihnen erzeugten Strom erhalten. Aber diese Zahlungen kamen lange nicht einmal in die Nähe derer, die an die fossile Industrie flossen. In der gesamten EU verteilen die Union selbst und die Regierungen ihrer Mitglieder jährlich kostenlose Emissionszertifikate und Subventionen für über 110 Milliarden Euro an die Erzeuger von Energie aus fossilen Brennstoffen. Demgegenüber erhalten erneuerbare Energien 40 Milliarden Euro.

Die wirtschaftlichen Vorteile machen Erneuerbare zu einer bevorzugten Alternative

Der Aufstieg der erneuerbaren Energien hat das Wirtschaftswachstum in Europa nicht gebremst. Zwischen 2006 und 2015 wuchs die europäische Wirtschaft um gerade mal 0,7 Prozent, während der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch um 7,7 Prozent stieg. Seit 2005 sind die Treibhausgasemissionen in Europa um zehn Prozent zurückgegangen. Erstmals waren in der EU Wirtschaftswachstum und Emissionen entkoppelt. Eine Energiewende kann also zugleich wirtschaftlichen Wohlstand schaffen und den CO2-Fußabdruck Europas verkleinern.

In absoluten Zahlen ist Europa bei Investitionen in erneuerbare Energien weltweit führend, doch der Anteil an den weltweiten Investitionen sank von 46 Prozent im Jahr 2005 auf 17 Prozent im Jahr 2015. Der Grund dafür liegt darin, dass auch andere Weltregionen die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Erneuerbaren entdeckt haben. Nichtsdestotrotz möchte Europa weltweit an der Spitze von Forschung und Innovation auf diesem Gebiet stehen. Das größte Forschungsprogramm der EU, Horizon 2020, stellt für den Zeitraum von 2014 bis 2020 rund sechs Milliarden Euro für erneuerbare Energien bereit. Die Erneuerbare-Energie-Branche ist heute ein großer Arbeitgeber, der bis 2014 bereits mehr als eine Million Arbeitsplätze in Europa geschaffen hat. Die meisten Arbeitsplätze liegen in den Bereichen Wind, Solar und Biomasse. Diese Technologien verzeichneten in den vergangenen Jahren die weltweit höchsten Wachstumsraten und die stärksten Kostensenkungen. Bei den Arbeitsplätzen pro Kopf der Bevölkerung war die Branche im Jahr 2014 die Nummer zwei der Welt. Heute liegt sie nur noch an fünfter Stelle hinter China, den Vereinigten Staaten, Japan und Brasilien. Es ist durchaus möglich, dass Europa noch weiter zurückfällt.

Europa will bis Mitte dieses Jahrhunderts seine Treib­hausgasemissionen um 80 Prozent senken. Um dies zu erreichen, muss der Anteil erneuerbarer Energien nicht nur im Stromsektor, sondern auch bei Heizung, Kühlung und Verkehr deutlich zunehmen. Die wirtschaftlichen Vorteile der erneuerbaren Energien sowie Umwelt- und Klimafragen machen sie zu einer bevorzugten Alternative zu fossilen Brennstoffen. Viele Europäerinnen und Europäer profitieren bereits direkt – in Form von Arbeitsplätzen, geringeren Gesundheitskosten und eigener Energieerzeugung – von dieser Entwicklung.