Die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen in Kambodscha: Ihr Einfluss, Herausforderungen und Chancen

Hintergrund

Zivilgesellschaftliche Organisationen in Kambodscha müssen in einem zunehmend repressiven Umfeld manövrieren, aber es gelingt ihnen, aus den Herausforderungen und Fehlschlägen wichtige Lehren zu ziehen.

Five women in black dresses are sitting on a bench and showing their show their outstretched hands
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Mitarbeiterinnen des Shinta Mani Women's Resource Center in Kambodscha nehmen an einer Kampagne gegen häusliche Gewalt teil (2014).

Die Pariser Friedensvereinbarungen von 1991, die offiziell das Ende des jahrzehntelangen Bürgerkriegs markierten, waren ein Wendepunkt für Kambodscha: Die neue Verfassung des Landes ermöglichte die Bildung einer liberalen demokratischen Regierung und die Gründung zivilgesellschaftlicher Organisationen (ZO). Seitdem haben zahlreiche ZO und NRO ihre Arbeit in Bereichen wie Entwicklung, Bildung, Menschenrechte und Geschlechtergleichstellung aufgenommen. Die ersten demokratischen Wahlen, die von der UNO unterstützt wurden, fanden 1993 statt.

Die Kambodschanische Verfassung und zahlreiche unterzeichnete internationale Menschenrechtsvertraege bieten eine wichtige Grundlage für die Arbeit von zivillgesellschaftlichen Organisationen wie NRO, Comunity-Organisationen, Netzwerken und Bürgerinitiativen.

Ende 2017 wurde die wichtigste Oppositionspartei Kambodschas, die Cambodia National Rescue Party (CNRP), vom Obersten Gerichtshof aufgelöst, weil ihr vorgeworfen wurde, mit Hilfe der Vereinigten Staaten die Macht übernehmen zu wollen und die Führung von Premierminister Hun Sen, der dieses Amt seit 35 Jahren innehat, anzufechten. Seitdem ist die Regierung hart gegen unabhängige Medien vorgegangen, hat Gewerkschaftsführer*innen und Umweltaktivist*innen verhaftet und fast alle oppositionellen Stimmen zum Schweigen gebracht.

Trotz dieser Herausforderungen und der Angst, die sich in der Zivilgesellschaft ausgebreitet hat, haben zivilgesellschaftliche Organisationen ihre Arbeit in vielen Bereichen fortgesetzt. Dies gibt Anlass zur Hoffnung, dass sie alternative Wege finden, ihre Stimme trotzdem zu erheben und weiterhin landesweit  wirksam zu sein.   

Die Arbeit der zivilgesellschaftlichen Organisationen in Kambodscha

Seit 1993 wurden in allen Teilen des Landes verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen gegründet, die vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten durch einen Zustrom von Fördermitteln und ausländischer Hilfe gewachsen sind. Sie unterstützen Opfer häuslicher Gewalt, vertriebene Landwirt*innen, Umweltschützer*innen und andere marginalisierte Gruppenund helfen ihnen, ihre Positionen zu artikulieren, um mit den staatlichen Stellen auf nationaler und regionaler Ebene in einen Dialog zu treten.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die an der Schnittstelle zwischen lokaler und internationaler Ebene tätig sind, wirken wie ein Tor zur globalen Welt. Durch sie haben die Kambodschaner*innen die Möglichkeit, die Anliegen des Landes in internationale Foren einzubringen und internationale Agenden ins Land zu projizieren. Ein Beispiel dafür ist die Arbeit zu Geschlechter- und Frauenfragen, bei der sich kambodschanische zivilgesellschaftliche Organisationen auf lokaler und nationaler Ebene bei den jeweiligen Verwaltungsstellen dafür einsetzen, dass die Belange von Frauen und LGBTIQ*-Gruppen und -Personen berücksichtigt werden, und leisten damit einen Beitrag zur globalen Agenda für Geschlechtergleichstellung.

Die Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlichen Organisationen und der Regierung hat dazu beigetragen, dass Regierungsvertreter*innen auf dringende soziale Probleme aufmerksam gemacht werden; gleichzeitig wird eine sinnvolle Auseinandersetzung mit den Themen gefördert, die zur Verabschiedung von Rechts- und Justizreformen, zur Stärkung der Regierungsstrukturen, zur Schaffung von Transparenz, Reaktionsfähigkeit und Rechenschaftsmechanismen sowie zur Förderung allgemeiner Verbesserungen der Lebensqualität der Menschen führen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich mit Arbeitsrecht befassen, haben kontinuierlich für Mindestlöhne und insgesamt bessere Arbeitsbedingungen für kambodschanische Arbeitnehmer*innen gekämpft. Zwar muss noch mehr getan werden, um echte positive Veränderungen für marginalisierte Gruppen zu erreichen.  Trotzdem hat das bisherige Engagement gezeigt, dass zivilgesellschaftliche Organisationen eine wichtige Rolle dabei spielen, die Regierung an ihre Pflicht zu erinnern, die Rechte dieser Gruppen zu respektieren und zu schützen. Es hat ausserdem gezeigt dass Zivilgesellschaft kein Gegner, sondern Partner in diesem Bestreben ist.

Zivilgesellschaftliche Organisationen werden auch als Akteure in verschiedenen Wirtschafts- und Regierungsforen anerkannt und spielen eine besonders aktive Rolle in der Zusammenarbeit zwischen der Regierung und internationalen Geberorganisationen. Darüber hinaus erhalten die Bereiche, in denen zivilgesellschaftliche Organisationen aktiv sind, im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit und befördern einen breiteren öffentlichen Diskurs. Durch ihre Arbeit und ihr Engagement sind die Bürgerinnen und Bürger für ihre Rechte auf öffentliche Dienstleistungen und deren Inanspruchnahme sensibilisiert.  Technologie und soziale Medien haben den Menschen den gesellschaftlichen Anschluss erheblich erleichtert, da mittlerweile viele Bürger*innen im ganzen Land Zugang zum Internet haben.

Die bürgerlichen, politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte sind grundlegend und haben an öffentlichem Bewusstsein gewonnen, was Bürger*innen neue Wege eröffnet, ihre Probleme zu artikulieren. Die Regierung hat es jedoch noch nicht geschafft sich an die neuen Entwicklungen anzupassen und die Bedürfnisse der Bevölkerung zu verstehen; ihr Widerstand gegen Reformen und die Anpassung an das digitale Zeitalter behindern nicht nur die Entwicklung, sondern erschwert Bedürftigen Zugang zu Informationen und zu öffentlichen Dienstleistungen.

Die Arbeit, die zivilgesellschaftliche Organisationen im Bereich der politischen und zivilgesellschaftlichen Bildung leisten, geht über bloße Informationskampagnen zu den Rechten und Pflichten von Wähler*innen vor den Parlamentswahlen hinaus. Bildungsprogramme verfolgen einen breiteren Ansatz, in dem die Menschen über das politische System im Großen und Ganzen und die Bedeutung bürgerlicher und politischer Rechte aufgeklärt werden.

Zivilgesellschaftliche Organisationen helfen Frauen, die Opfer von Missbrauch, Diskriminierung und Ausbeutung geworden sind,  für ihre Menschenrechte einzustehen und bieten ihnen ein Hilfsnetzwerk an. Durch zivilgesellschaftliche Organisationen können bedürftige Personen psychologische, medizinische, finanzielle und rechtliche Unterstützung erhalten. Sie springen dort ein, wo die Regierung nicht präsent ist, und entwerfen Modelle für Unterkünfte und anderer sozialer Einrichtungen, die später vom Staat übernommen werden. Die Organisationen bieten juristischen Beistand und psychologische Dienste an verschiedenen geografischen Standorten im ganzen Land an. 

Diese Errungenschaften sind nicht unbemerkt geblieben. Zahlreiche Regierungsprogramme, die von internationalen Gebern unterstützt werden, haben zivilgesellschaftliche Organisationen als Partner einbezogen, weil ihre Arbeit an der Basis unverzichtbar ist. Gleichzeitig sind zivilgesellschaftlichen Organisationen unabhängig von staatlichen Mitteln und schaffen auf lokaler Ebene neue Arbeitsplätze. Obwohl sie zunehmend unter Druck geraten und versucht wird, ihre kritischen Stimmen zu unterdrücken, profitiert die Regierung in hohem Maße von den Beiträgen zivilgesellschaftlicher Organisationen in vielen Bereichen, von Entwicklung über Bildung bis hin zu Rechts- und Justizreformen.

Die Errungenschaften der CSOs

Kambodscha hat acht der neun internationalen Menschenrechtsverträge ratifiziert und die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen unterzeichnet. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen haben diese Zusage zu den Menschenrechtsverträgen genutzt, um die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, damit sie diese schützt, respektiert und erfüllt.

Kambodscha hat zudem den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (ICSECR), ein Menschenrechtsvertrag der Vereinten Nationen, der die Vertragsparteien dazu verpflichtet, auf die Gewährung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte für Individuen hinzuarbeiten. Darunter fallen Arbeitsrechte, das Recht auf Gesundheit, das Recht auf Bildung und das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard. Als die Zivilgesellschaft ihre Arbeit zunehmend von der Regierung angegriffen sah und sich ein Gefühl der Angst unter den zivilgesellschaftlichen Organisationen ausbreitete, gab ihnen das Wissen um ihre Rechte das Selbstbewusstsein, ihre Arbeit fortzusetzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen schließen sich häufig zu bestimmten Themen zusammen (gegen Unterdrückung, Diskriminierung, Korruption usw.) und geben gemeinsame Erklärungen gegen repressive oder ungerechte Maßnahmen lokaler Behörden oder staatlicher Stellen ab.

Am internationalen Tag der Arbeit kamen 24 zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen und forderten die Regierung gemeinsam auf, die Rechte von Arbeitnehmer*innen zu schützen und ihre Existenzgrundlagen zu sichern.

103 zivilgesellschaftliche Organisationen richteten außerdem eine gemeinsame Erklärung an die Regierung, in der sie an die Mikrofinanzinstitutionen (MFI) und Banken appellierten, alle Darlehenszahlungen und anfallenden Zinsen für mindestens drei Monate auszusetzen, damit die Kreditnehmer*innen während des ersten Ausbruchs der COVID-19 Pandemie zu Hause in Sicherheit bleiben konnten, ohne befürchten zu müssen, ihr Land oder ihr Haus zu verlieren, wenn sie in dieser Zeit ihre Schulden nicht beheben können.

Weitere 24 zivilgesellschaftliche Organisationen forderten die Regierung auf, die Bemühungen im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt und allen anderen Formen von Gewalt gegen Frauen, Kinder und LGBT+-Personen zu verstärken, die sich in Quarantäne und in den besonders von COVID-19 betroffenen Gebieten befanden.

Darüber hinaus schlossen sich zivilgesellschaftliche Organisationen in Kambodscha zusammen, als einer Polizeibeamtin ein Disziplinarverfahren drohte, weil auf einem öffentlich gewordenen Foto zu sehen war, wie sie in ihrer Uniform ihr Baby stillte. 39 zivilgesellschaftliche Organisationen gaben eine gemeinsame Erklärung zur Verbesserung der Rechte von Frauen am Arbeitsplatz ab und forderten die Regierung auf, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass alle berufstätigen Eltern Unterstützung erhalten und ihnen Kinderbetreuungseinrichtungen zur Verfügung gestellt werden.

86 Zivilgesellschaftsvertreter*innen (darunter Organisationen und Einzelpersonen) forderten nicht nur die Achtung und den Schutz der Rechte von Arbeitnehmer*innen, Aktivist*innen und Opfern von Gewalt, sondern richteten auch einen offenen Brief an die zuständigen Ministerien, in dem sie rechtliche Schritte gegen drei hochrangige Personen forderten, denen häusliche Gewalt, sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt gegen Frauen vorgeworfen worden war.

Zivilgesellschaftliche Organisationen in zunehmender Bedrängnis

Die kambodschanische Zivilgesellschaft ist in den letzten Jahren zunehmend Schikanen seitens der Regierung ausgesetzt gewesen und agiert in einem repressiven Umfeld, das in der Geschichte des Landes beispiellos ist. Die Angst unter zivilgesellschaftlichen Akteur*innen ist durch die Verhaftung einer Vielzahlvon Aktivist*innen, Menschenrechtsverteidiger*innen und Gewerkschaftsführer*innen noch geschürt worden. Man könnte erwarten, dass sich die Zivilgesellschaft in diesem zunehmend feindseligen Umfeld nun einer Selbstzensur unterzieht und ihre Aktivitäten reduziert, doch ihr Netzwerk hat sich als stark genug erwiesen, um den Bedrohungen standzuhalten.

Die Errungenschaften zivilgesellschaftlicher Organisationen in den letzten drei Jahrzehnten können nicht rückgängig gemacht werden. Die zunehmende Bedrängnis, die Aktivist*innen und Journalist*innen  abschrecken soll, ist ein Zeichen dafür, dass der Staat Angst vor kritischen Stimmen hat und die positiven Auswirkungen zivilgesellschaftlichen Engagements auf die Entwicklung des Landes nicht anerkennt. Dadurch werden wichtige Reformen zusätzlich blockiert.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen werden beschuldigt, Verbündete der politischen Oppositionsparteien zu sein. Dies ist eine schwerwiegende Fehldarstellung der Arbeit, die zivilgesellschaftliche Organisationen bisher geleistet haben.

Dass zivilgesellschaftlichen Organisationen eine Komplizenschaft mit politischen Oppositionsparteien vorgeworfen wird, beruht lediglich auf der Annahme, dass beide grundsätzlich regierungsfeindlich eingestellt sind. Oppositionsparteien richten ihre politische Agenda selbstverständlich gegen die Regierungspartei. Das Anliegen zivilgesellschaftlicher Organisationen ist jedoch, die Bürger*innen über ihre Rechte aufzuklären und sie zu sensibilisieren, damit sie die Regierung zur Rechenschaft ziehen können (was der Kern einer funktionierenden Demokratie ist). Anstatt die Bevölkerung verstummen zu lassen, sollte die Regierung die Zivilgesellschaft einbeziehen und mit ihr zusammenarbeiten, da sie ein wichtiger Spiegel der Gesellschaft ist und Probleme aufzeigt, die den Staat sonst nicht erreichen. Eine Zusammenarbeit würde nicht nur den Beziehungen zwischen Regierung und Zivilgesellschaft zugute kommen, sondern auch die Entwicklung im ganzen Land fördern.

Auch wenn die Regierung versucht, die Zivilgesellschaft unter Druck zu setzen, kann deren Arbeit der letzten drei Jahrzehnten nicht rückgängig gemacht werden. Die schrumpfenden Handlungsspielräume, die Aktivist*innen, Journalist*innen und andere Akteur*innen ausbremsen sollen, resultiert aus der Angst der Regierung vor oppositionellen Stimmen. Je länger die Regierung versäumt, die positiven Auswirkungen der Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen auf die Entwicklung des Landes anzuerkennen, desto besorgniserregender sind die Auswirkungen auf wichtige Reformen.

Warum zivilgesellschaftliche Organsationen wichtig sind

Was die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen bewirken kann, ist offensichtlich: Menschen werden befähigt, ihre Stimme zu erheben, wenn politische Programme nicht funktionieren oder sie negative Auswirkungen auf ihren Lebensunterhalt, die Umwelt oder die Wirtschaft haben. Kambodscha ist Empfängerin ausländischer Investitionen und Entwicklungshilfe. Angesichts der äußerst intransparenten Investitionen und des nicht nachvollziehbaren Umgangs mit diesen Geldern sollten zivilgesellschaftliche Organisationen stärker bei der Aufdeckung von Korruption eingebunden werden, damit die Dienstleistungen bei den Bedürftigen landen anstatt dass das Geld in den Taschen weniger Eliten verschwindet. 

Die Stimmen zivilgesellschaftlicher Organisationen sind im Hinblick auf den schnellen Anstieg von Investitionen und den Ausbau der Infrastruktur kritischer geworden. Sie äußern sich besorgt und weisen auf mögliche Mängel hin, wenn sich Projekte als nicht nachhaltig entpuppen und möglicherweise eine Bedrohung für die lokalen Lebensgrundlagen oder die Umwelt darstellen.     

Die Gewerkschaften haben beispielsweise einen Mindestlohn ausgehandelt und eine aktive Rolle im dreigliedrigen Konsultationsprozess zwischen der Regierung, Privatunternehmen und Gewerkschaften übernommen. Gewerkschaften waren bei der Vertretung von Arbeitnehmer*innen in Arbeitskonflikten lange die Händer gebunden. Nun ist der  Schlichtungsrat dort eingetreten, wo das Arbeitsministerium in der Versöhnung von Konflikten versagt hat.

Chancen für die Zivilgesellschaft trotz schrumpfender Handlungsspielräume

Der physische Raum, in dem Menschen ihre demokratischen Rechte ausüben können, schrumpft kontinuierlich, und die COVID-19-Pandemie hat diesen Prozess noch beschleunigt. Viele Aktivitäten haben sich ins Internet verlagert, und der virtuelle Raum spielt jetzt eine noch nie dagewesene Vermittlerrolle durch die Ermöglichung von Online-Meetings, -Workshops und -Konferenzen. Dank dieser Entwicklung finden jetzt viele Schulungen und Sitzungen statt, bei denen sich Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Zeitzonen einloggen können. Dies ermöglicht neue Wege für das Netzwerken und Organisieren über die Ländergrenzen hinweg, und es überrascht nicht, dass zivilgesellschaftliche Organisationen/NRO diese neue Entwicklung mit großem Optimismus annehmen. Online-Räume haben die Zivilgesellschaft integrativer gemacht und fördern eine breitere Beteiligung in Netzwerken, die vorher auf die lokale oder regionale Ebene beschränkt waren.

Das Internet hat zwar den Zugang für Menschen in den städtischen Ballungsgebieten erleichtert, aber in den ländlichen Gebieten erweist sich die Anpassung an den technologischen Fortschritt aufgrund begrenzter Internetanbindung und Online-Infrastruktur als noch sehr holprig. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten die Gelegenheit nutzen und der Regierung ein Angebot machen, Online-Schulungen durchzuführen und den Internetzugang für kambodschanische Bürger*innen zu erleichtern, die sonst nicht in der Lage sind, sich in virtuellen Räumen zu engagieren.

Online-Plattformen fördern auch einen konsolidierteren Ansatz in der Lobbyarbeit, da sie es verschiedenen zivilgesellschaftlichen Gruppen ermöglicht, zusammenzukommen und ihre Kräfte für gemeinsame Anstrengungen zu bündeln. Einmal wurde eine Online-Händlerin nach dem Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels angeklagt, weil sie sich angeblich "zu freizügig" gekleidet hatte. Diese Aktion löste eine überwältigende Diskussion unter zivilgesellschaftlichen Organisationen und Einzelpersonen auf verschiedenen Medienplattformen aus. Sieben besorgte Vertreter*innen aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen schrieben einen offenen Brief an den kambodschanischen Premierminister und forderten, dass Kambodscha die Rechte der Frauen auf Selbstbestimmung, Meinungsäußerung und körperliche Unversehrtheit respektieren müsse. Es folgte eine Online-Petition auf change.org, die breite Unterstützung fand.

Einige zivilgesellschaftliche Organisationen haben den Moment genutzt, um die Kapazitäten innerhalb ihrer Organisation zu stärken und sich an die neuen Formate der Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit anzupassen, die für die Mittelbeschaffung und das Community-Management nützlich sind. Sie nutzen die Online-Räume auch, um Solidaritätsnetzwerke zu stärken und verschiedene Plattformen zu nutzen, um ihre Anliegen zu äußern und Lobbyarbeit für ihre Themen zu betreiben. Das wechselseitige Lernen und der Aufbau von Kapazitäten kann auch strategisch gefördert werden, indem alte und neue zivilgesellschaftliche Organisationen zusammenkommen und ihr Wissen, Skills und Ressourcen nachhaltig teilen.  

Darüber hinaus hat die Pandemie gezeigt, wie wir leben, kommunizieren und miteinander umgehen. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollten sich darauf besinnen, dass in dieser Zeit viel Potenzial steckt, um die Mentalität der Menschen in Hinblick auf Geschlechterrollen zu beeinflussen, nachhaltige Existenzgrundlagen zu fördern und auf die Anpassung an den Klimawandel hinzuarbeiten.    

Die Suche nach dem Gleichgewicht: nachhaltige Lösungen für zivilgesellschaftliche Organisationen

Zivilgesellschaftliche Organisationen lösen keine unmittelbaren Probleme. Sie setzen sich für langfristige Verbesserungen in der Gesellschaft ein und erfordern daher kontinuierliche Anstrengungen und Engagement. In fast drei Jahrzehnten haben wir die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Raums und seiner Arbeit in verschiedenen Sektoren erlebt, wo sie zu echten Veränderungen vor Ort beiträgt. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen zwar in einem zunehmend repressiven Umfeld manövrieren, und doch können sie viele Lehren aus den Herausforderungen und Fehlschlägen ziehen. Angetrieben von ihrer Vision einer gerechten, fairen und nachhaltigen Gesellschaft, setzt die kambodschanische Zivilgesellschaft ihre unermüdliche Arbeit trotz aller Hürden fort.

Die Tatsache, dass die Regierung versucht, die Macht der Zivilgesellschaft zu schwächen, sagt viel über ihren den Einfluss und die Reichweite ihrer Arbeit aus. Die Herausforderungen, mit denen sich zivilgesellschaftliche Organisationen konfrontiert sehen, sollten daher als Chance genutzt werden, um widerstandsfähige Strategien im Kampf für die Rechte marginalisierter Menschen und den Schutz der Lebensgrundlagen und der Umwelt zu verbessern und anzupassen.


Die in diesem Artikel geäußerten Ansichten geben die Meinung des Autors wieder und spiegeln nicht unbedingt die Meinung der Heinrich-Böll-Stiftung wider.

Aus dem Englischen übersetzt von Caroline Betram.