Pestizide im Export: Verboten und verkauft

Atlas

Viele Pestizidwirkstoffe haben ihre Genehmigung in Europa verloren. Exportiert werden dürfen sie trotzdem: häufig in Länder des globalen Südens, wo viele Menschen ihnen oft schutzlos ausgeliefert sind.

Pestizidatlas Infografik: Die drei größten EU-Exporteure und die drei größten Importeure von Pestiziden ohne EU-Zulassung, 2018 in Tonnen
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Zivilgesellschaftliche Organisationen fürchten: Mit dem Inkrafttreten des Mercosur-Handelspakts zwischen der EU und Südamerika, das geringere Ausfuhrzölle auf Pestizide vorsieht, werden die Exporte in den globalen Süden steigen

Verbotene Pestizide als Exportschlager 

Der Pestizidexport in Drittstaaten gehört zum Geschäft. Einen immer größeren Teil werden die Unternehmen Prognosen zufolge mit Verkäufen in Länder der südlichen Hemisphäre erzielen. Die fünf größten Pestizidkonzerne – unter anderem Bayer, BASF und Syngenta – erzielen bereits heute über ein Drittel ihrer Pestizidumsätze mit Wirkstoffen, die PAN, das Pestizid Aktions-Netzwerk, als hochgefährlich einstuft. Diese Stoffe haben laut der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO ein besonders hohes Gefährdungspotenzial für Mensch und Umwelt. Bei vielen Pestiziden wird die Zulassung in der Europäischen Union wegen ihrer Risiken nicht erneuert.

Cover des Pestizidatlas 2022

Der Pestizidatlas 2022

Der Pestizidatlas zeigt in 19 Kapiteln Daten und Fakten rund um die bisherigen und aktuellsten Entwicklungen, Zusammenhänge und Folgen des weltweiten Pestizidhandels und Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft.

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Bayer und BASF verdienen mit Pestiziden, die in der EU längst verboten sind

Verkaufen dürfen europäische Firmen diese Pestizide jedoch weiterhin – und zwar in Länder außerhalb der EU. 2019 und 2018 haben EU-Staaten und das Vereinigte Königreich den Export von insgesamt 140.908 Tonnen an Pestiziden bewilligt, deren Ausbringung auf hiesigen Feldern wegen inakzeptabler Gesundheits- und Umweltrisiken verboten ist. Fast 10.000 Tonnen solcher hochgefährlicher Pestizide haben deutsche Hersteller in jenen Jahren exportiert. 2017 waren es laut einer Studie von PAN mindestens neun Wirkstoffe ohne EU-Zulassung, die aus Deutschland exportiert wurden. Hinzu kommt, dass die deutschen Unternehmen Bayer und BASF in anderen Ländern Pestizidprodukte mit Wirkstoffen vertreiben, die in der EU nicht erlaubt sind – allein in Südafrika und Brasilien vertrieben sie laut einer 2020 veröffentlichten Studie eigene Produkte mit mindestens 28 solcher Wirkstoffe.

Pestizidatlas Infografik: Prozentualer Anteil verwendeter Pestizide und ihre Giftigkeit für Bienen
Im letzten Quartal 2020 verkündeten Bayer und Syngenta Exporte von mehr als 3800 Tonnen der hier verbotenen, hoch bienengefährlichen Insektizide Thiamethoxam, Imidacloprid und Clothianidin in Drittstaaten, auch nach Kenia und Brasilien

Südamerikanische und afrikanische Staaten als Abnehmer

Brasilien, das Land mit dem dritthöchsten Pestizideinsatz weltweit, importiert den Großteil der Pestizidwirkstoffe aus dem Ausland, auch aus EU-Ländern. 2019 waren darunter mindestens 14 hochgefährliche Wirkstoffe, die in der EU nicht mehr zugelassen sind, zum Beispiel das für Bienen hochgefährliche Fipronil von BASF und das nervenschädigende Chlorpyrifos der portugiesischen Ascenza Agro SA. Außerdem das gefährliche Cyanamide der deutschen Alzchem AG und das Sexualfunktion und Fruchtbarkeit schädigende Propineb von Bayer aus Deutschland. Nach Brasilien ging auch Epoxiconazol (BASF), das seit April 2020 keine EU-Genehmigung mehr hat.

In Kenia sind insgesamt 230 Wirkstoffe registriert. 123 davon gehören zu den hochgefährlichen Pestiziden, von denen wiederum 51 Wirkstoffe wie Atrazin (Syngenta), Trichlorfon (Bayer) und Fipronil (BASF) in der EU nicht mehr erlaubt sind. Importiert wurden 2018 und 2019 trotz Verbot unter anderem Iprodione aus Belgien und Acetochlor aus Spanien. Hochgefährliche Wirkstoffe, die außerdem in Kenia angewendet werden, sind beispielsweise die Insektizide Acephat und Beta-Cyfluthrin, die Fungizide Carbendazim und Mancozeb und außerdem das Herbizid Paraquat. Eine Studie über Pestizidanwendung in Zentralkenia, in der Kleinbäuerinnen und Kleinbauern befragt wurden, bestätigt die regelmäßige Anwendung dieser hochgiftigen Pestizide. 

Pestizidatlas Infografik: Pestizidbelastung nach Deutschland importierter brasilianischer Früchte im Jahr 2021
Greenpeace stellte bei 59 von 70 importierten Früchten aus Brasilien Pestizidbelastungen fest. Darunter auch Wirkstoffe von BASF und Bayer

Initiativen fordern Exportverbote 

Die Hersteller versichern, dass ihre Produkte sicher seien und Menschen, Insekten und Gewässer nicht gefährden – sofern sie sachgemäß angewendet werden. Die korrekte Handhabung beinhaltet unter anderem das Tragen von Schutzkleidung und die Einhaltung bestimmter Anwendungszeiten, Spritzabstände und Vorgaben für die gemeinsame Ausbringung mit anderen Mitteln. Die Praxis jedoch zeigt: Gerade auf der Südhalbkugel kann die vorgeschriebene ordnungsgemäße Anwendung nicht gewährleistet werden. Diejenigen, die die Pestizide anwenden, werden nur unzureichend geschult und über Abstandsauflagen und Gesundheitsgefahren ungenügend aufgeklärt. Außerdem ist persönliche Schutzkleidung oft schwer erhältlich, zu teuer oder wegen der Temperaturen kaum unter zumutbaren Bedingungen zu tragen. Unterschiedliche Studien zeigen außerdem, dass viele, die Pestizide ausbringen, die Anwendungshinweise auf den Packungen nicht lesen können, da sie entweder über eine geringe Schulbildung verfügen oder die Hinweise nicht in den gängigen Landessprachen verfasst sind. Auf dieses Problem weisen auch internationale Organisationen wie die FAO und WHO seit vielen Jahren hin.

Zivilgesellschaftliche Organisationen setzen sich deshalb für einen Politikwandel ein. Sie fordern, dass Pestizide, die aufgrund ihrer negativen gesundheitlichen oder ökologischen Wirkung nicht in der EU zugelassen sind, auch nicht in Länder außerhalb der EU exportiert werden dürfen. Im Juli 2020 kritisierte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen die Praxis, dass Industrieländer weiterhin verbotene und giftige Chemikalien in ärmere Länder exportieren. 

In einigen Staaten hat mittlerweile ein Umdenken stattgefunden. In Frankreich tritt ab 2022 ein Gesetz in Kraft, das die Herstellung, Lagerung und den Export von Pestiziden verbietet, die in der EU verboten sind. Auch die Schweiz verbietet seit 2021 den Export von fünf besonders giftigen Pestiziden. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Bundesregierung aus dem Jahr 2020 bestätigt, dass über eine Verordnung das deutsche Landwirtschaftsministerium die giftigen Exporte stoppen könnte. Eine Passage im neuen Koalitionsvertrag formuliert, dass Deutschland solchen Exporten zukünftig einen rechtlichen Riegel vorschieben will.

Im letzten Quartal 2020 verkündeten Bayer und Syngenta Exporte von mehr als 3800 Tonnen der hier verbotenen, hoch bienengefährlichen Insektizide Thiamethoxam, Imidacloprid und Clothianidin in Drittstaaten, auch nach Kenia und Brasilien