Gesellschaft im Wandel: Beständige Veränderung

Atlas

Wirtschaftliche Umbrüche, politische Entscheidungen und unvorhersehbare Ereignisse halten die Gesellschaft in Bewegung und bringen Fortschritt. Das ist so nötig wie konfliktreich. Denn mit dem Neuen wachsen die Ansprüche und auch Ängste der Menschen. Gerade während dieser Veränderungsprozesse ist deshalb die Sozialpolitik gefordert. 

Sozialatlas Infografik: Relevante Ereignisse, politische Prozesse und deutsche Gesetzgebung zum Umwelt- und Klimaschutz zwischen 1996 und 2021
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Seit 1996 fragt das Umweltbundesamt alle zwei Jahre die Bevölkerung, welchen Stellenwert der Klimaschutz angesichts anderer Probleme hat

Veränderungen sind der Motor des Fortschritts

Unsere Gesellschaft befindet sich in einem ständigen Wandel. Neue Haltungen, politische Entscheidungen oder unvorhersehbare Katastrophen können Auslöser von Veränderungen sein. Die meisten Veränderungen in der Moderne sind davon getrieben, die aktuellen Verhältnisse entlang fundamentaler Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit und Gleichheit zu verbessern. Dies ist der Motor des Fortschritts.

Cover Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022 bringt Übersicht in die Komplexität des Sozialsystems, zeigt seine Grundlagen und Perspektiven. So wird sichtbar, dass der soziale Zusammenhalt auf einer Kooperation von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft beruht – und seine Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann.

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Als beispielsweise der Bundestag im Sommer 2011 den Atomausstieg beschloss, war das eine so plötzliche wie tiefgreifende Entscheidung. Ein Jahr zuvor hatte dieselbe Regierungsmehrheit entschieden, den bereits beschlossenen Atomausstieg zu verzögern. Diese politische Kehrtwende in Deutschland wäre ohne die Nuklearkatastrophe von Fuku­shima undenkbar gewesen: In den Tagen nach dem Unglück kamen bundesweit rund 250.000 Menschen zu Demonstrationen zusammen und forderten die endgültige Abkehr von der Kernenergie. Solche Forderungen waren zwar schon rund 40 Jahre zuvor erhoben worden, setzten sich aber erst 2011 vorerst endgültig in einer breiten Mehrheit durch.

Konflikte zwischen Bewahrern und Veränderern

Veränderungen in der Moderne sind von einer besonderen Dynamik gekennzeichnet: Auf Seite der Veränderungswilligen herrscht die Ansicht vor, dass notwendige Reformen nicht oder zu langsam stattfinden oder gar ­blockiert werden. Dem entgegen stehen die Bewahrenden, die fürchten, dass sich die Gesellschaft zu schnell oder in die falsche Richtung verändert. Daraus erwachsen Konflikte. Denn Veränderungen ziehen stets weitere nach sich. Was in der Vergangenheit errungen wurde, wirft in der Gegenwart völlig neue Fragen auf. Verdeutlicht am Beispiel der Frauen­bewegung in der alten Bundesrepublik: Noch bis 1977 mussten ­Frauen die Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner einholen, um ­arbeiten gehen zu dürfen. Heute sind vier von fünf Frauen erwerbstätig. Dieser Freiheitszuwachs ermöglicht es ihnen, ein selbstbestimmtes und finanziell unabhängiges Leben zu führen. So scheint es. Schaut man sich aber die Zahlen genauer an, wird deutlich, dass 77,8 Prozent der Frauen in Teilzeit beschäftigt sind, dass der Einkommensunterschied zu Männern weiterhin hoch ist und der Anteil weiblicher Führungskräfte gering. Die Missstände scheinen im Widerspruch zu den bisherigen Erfolgen der Emanzipation zu stehen. Formal ist die Gleichberechtigung längst ausgemachte Sache – in der Realität aber hat sich neuer Veränderungsdruck aufgebaut. Die umstrittene Quote für mehr weibliche Vorstände und Aufsichtsrätinnen ist teils eine politische Konsequenz daraus.

Socialatlas Infografik: Selbstständige und deren Beschäftigte 2005–2018 in Millionen
Die Anzahl der Mitarbeitenden, die von Selbstständigen mit Migrationshintergrund beschäftigt werden, ist von 1,55 Millionen im Jahr 2005 auf 2,27 Millionen 2018 gestiegen.

Sozialpolitik sollte soziale Härten abfedern

Daran wird deutlich: Mit jeder Entscheidung entstehen neue Fragen und Probleme, die sich in der Gegenwart noch gar nicht antizipieren lassen. Das gilt besonders für die größten Umwälzungen unserer Zeit, die Digitalisierung und den Klimawandel. Einige der drängendsten Probleme können längst nicht mehr nationalstaatlich gelöst werden, sondern nur multilateral, in mühsamen Verhandlungen, so wie auf der berühmten Klimakonferenz von Paris 2015, auf der sich nach jahrelangen Bestrebungen alle Staaten der Erde in letzter Minute darauf einigten, sich fortan verbindliche Ziele zum Klimaschutz zu setzen.

Der Wandel von Gesellschaften ist so unaufhaltbar wie konfliktreich, denn er birgt immer Chancen und ­Risiken zugleich. Dies gilt besonders für Veränderungen, in denen sich Bevölkerungsgruppen darum sorgen, als Verlierer daraus hervorzugehen, so wie nach dem Mauer­fall oder in der gegenwärtig anstehenden sozial-ökologischen Erneuerung Deutschlands. Politische Entscheidungen und gesellschaftliche Veränderungsprozesse sollten möglichst immer verständlich erklärt und soziale Härten abgefedert werden. Auch das sind ureigene Aufgaben ­sozialer Politik.