Daten beschleunigen die Energiewende

Veranstaltungsbericht

Start-ups können wichtige Beiträge leisten, um den Umbau der Energiebranche und die Energiewende zu beschleunigen. Mehr als vier von zehn Start-ups sagen laut Start-up Monitor, dass sich ihre Produkte und Dienstleistungen der Green Economy zuordnen lassen. Neue Geschäftsmodelle im Energiesektor basieren auf Daten. Am Zugang und an der Qualität hapert es jedoch noch.

Aufgenommen im teamLab Borderless Light Museum während einer Projektion eines Wasserfalls und Neonfarben in Tokio, Japan.

Die Energiewende ist ohne Digitalisierung kaum denkbar. Im dekarbonisierten Energiesystem von morgen werden Millionen von Energieerzeugungsanlagen, Speichern, Elektrofahrzeugen, Strom- und Wärmenetzen digital vernetzt sein. Daten sind die Grundlage für eine direkte Beteiligung der Bürger:innen an der Energiewende. Verbraucher:innen werden Strom und Wärme künftig nicht nur konsumieren, sondern verstärkt auch produzieren und gegen Entgelt in die Netze einspeisen. Flexible Tarifstrukturen werden helfen, Einspar- und Effizienzpotenziale besser auszuschöpfen, indem beispielsweise die Waschmaschine automatisch angeschaltet wird, wenn viel erneuerbarer Strom im Netz und die Strompreise niedrig sind. Damit die Stromnetze stabil und die Versorgung sicher sind, müssen volatile Energien aus Wind und Sonne intelligent gesteuert werden. Durch die Digitalisierung können Investitionen in den Ausbau der Übertragungsnetze optimiert und Kosten gespart werden.

Start-ups sind Treiber der Digitalisierung

Zu den Treibern von Innovationen für die Energiewende gehören Start-ups wie everyone energy, das Céline Göhlich mit Partner:innen 2021 ins Leben rief. Das junge Unternehmen hat eine automatisierte Energieberatungssoftware entwickelt, die die Einstiegshürden für energetische Gebäudemodernisierungen senken soll. Bei einer Sitzung des Wirtschaftskreises Digitale Ordnungspolitik im Juli 2022 skizzierte Göhlich, warum es so wichtig ist, mit der Digitalisierung und Bereitstellung von Daten schnell voranzukommen, wenn die Energiewende zum Erfolg werden soll. Entlang der gesamten energiewirtschaftlichen Wertschöpfung könne der Umstieg auf klimaneutrale Energiequellen durch die intelligente Nutzung von Daten beschleunigt werden, argumentierte sie. Investitionskosten könnten effektiv gesenkt werden, weil Infrastrukturen passgenauer geplant werden könnten. Ohne die intelligente Nutzung von Daten aber werde der Ausbau der Erneuerbaren Energien ausgebremst.

Enormes Potenzial für neue Geschäftsmodelle

Trotz gigantischer Potenziale für innovative, datenbasierte Geschäftsmodelle komme die Digitalisierung im Energiebereich nur schleppend voran, sagte Göhlich. An Grenzen stoße man beispielweise im Bereich der regionalen Verteilnetzbetreiber und Stadtwerke. Zwar gebe es bereits viele Start-ups, die in diesem Segment tätig seien, jedoch gestalte sich die Zusammenarbeit wegen der sehr unterschiedlichen Standards, Netzentgelte und Grundversorgertarife häufig schwierig. Auch bei den Privathaushalten gebe es immense Potenziale, so Céline Göhlich weiter. Aber auch hier stellten der rechtssichere Zugang zu und die Verfügbarkeit von Daten in guter Qualität die entscheidenden Engpässe dar, die die Entwicklung von datengetriebenen Geschäftsmodellen erschweren oder verhindern. Start-ups verfügten in der Regel nicht über eigene Datenbestände und kostenpflichtige Datenlizenzen seien für Start-ups häufig nicht finanzierbar.

Datenzugang für Start-ups unzureichend

Die Einschätzung von Céline Göhlich kann als repräsentativ für die Gründer:innenszene angesehen werden, wenn man auf die Zahlen des Deutschen Start-up Monitors 2021 blickt. Nur 37,5 Prozent sagten, dass sie über einen ausreichenden Zugang zu relevanten Daten verfügen. Als wichtigen Grund gaben 67,2 Prozent der befragten Start-ups die Konzentration von Daten bei wenigen internationalen Konzernen an. Aber auch bei öffentlichen Daten gibt es noch sehr große Hemmnisse: 73,9 Prozent der befragten Start-ups sagten, dass sich einen besseren Zugang zu öffentlichen Daten wünschen.

Mit einem Bündel von Vorhaben will die Bundesregierung die Digitalisierung nun beschleunigen. In einer Digitalstrategie will sie die Projekte zusammenfassen, mit denen die Ressorts das Tempo beim Netzausbau erhöhen, die Verfügbarkeit von Daten verbessern, die Digitalisierung von Verwaltung, Gesundheitswesen und Schulen vorantreiben wollen.

Start-up-Strategie will Gründer:innen stärken

Für digitale Pionier:innen besonders wichtig ist die Start-up-Strategie, die die Bedingungen für Gründer:innen verbessern soll. Die beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelte Beauftragte für Digitalwirtschaft und Start-ups, Dr. Anna Christmann, stellte die Eckpunkte bei der erwähnten Sitzung des Wirtschaftskreises Digitale Ordnungspolitik vor. Ziel der Strategie sei es, Deutschland und Europa als Standort für Start-ups zu positionieren, sagte sie. Dafür brauche man Menschen aus der Praxis, aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Gesellschaft. Die Strategie solle dazu beitragen, Talente im In- und Ausland zu gewinnen und Frauen in der Start-up Branche gezielt zu fördern. Ein Dateninstitut solle Ordnung ins Datenchaos bringen, wie es ein von Christmann Ende 21 mit anderen grünen Politiker:innen verfasstes Strategiepapier formuliert. Der Zugang zu Daten für Start-ups solle verbessert werden, führte Anna Christmann aus. Bereits kurz nach ihrer Amtsübernahme als Digitalbeauftragte ging die Start-up-Strategie im Frühjahr 22 in ein umfassendes Beteiligungsverfahren. Rund 80 Stellungnahmen gingen im Rahmen der Online-Konsultationen ein.

Dateninstitut soll Datensilos erschließen

Viele Stellungnahmen bezogen sich auf das im Koalitionsvertrag vereinbarte Dateninstitut, das die Datenverfügbarkeit und -standardisierung vorantreiben sowie Datentreuhändermodelle und Lizenzen etablieren soll. Die Erwartungen an das geplante Dateninstitut sind entsprechend hoch. Bitkom beispielsweise schreibt in seiner Stellungnahme, dass das Dateninstitut die Bereitstellung von Daten der öffentlichen Hand beschleunigen und eine Brückenfunktion zwischen öffentlicher Hand und Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft sowie Zivilgesellschaft einnehmen solle. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband Deutsche Startups e.V., der vom Dateninstituts einen Abbau bestehender Rechtsunsicherheiten bei Datentreuhändermodellen erhofft. Das Dateninstitut solle Daten aus öffentlichen Registern erschließen und in maschinenlesbarer Form nach einheitlichen Standards bereitstellen, lautet eine weitere, häufig geäußerte Forderung.

Daten harmonisieren und synchronisieren

Auch Céline Göhlich beurteilte das Dateninstitut grundsätzlich positiv. Es sei der richtige Ansatz, um den Datenzugang für Start-ups zu verbessern, da hiermit eine zentrale Anlaufstelle geschaffen werde, sagte sie beim Wirtschaftskreis. Auch die Harmonisierung und Synchronisierung von Open-Source-Daten könne eine wichtige Aufgabe des Dateninstituts sein. So arbeite everyone energy beispielsweise zwar mit Open Source-verfügbaren Geodaten. Jedoch lägen diese häufig trotz der europäischen Open Source-Strategie in einem inkompatiblen, veralteten Format vor. Zudem habe jedes Bundesland eigene Systeme bei Geodaten. Start-ups müssten deshalb teure Dienstleistungen einkaufen, um die Daten zu synchronisieren.

Anreize zum Datenteilen

Rechtliche Unsicherheiten und die Sorge, Wettbewerbsvorteile zu verlieren, erschweren und verhindern das Teilen von Daten häufig noch. Hier müssten deshalb gezielte Anreize gesetzt werden, schlugen verschiedene Teilnehmer:innen an den Konsultationen vor. Die Vergabe von staatlichen Prämien könne ein Startpunkt sein, der Kooperationsprojekte zwischen etablierten und jungen Unternehmen incentiviert, schreibt der KI Bundesverband in seiner Stellungnahme. Auch der Bundesverband Deutsche Startups schlägt gezielte Anreizstrukturen vor. Sharing-Initiativen sollten zudem durch einen klaren Rechtsrahmen bezüglich Haftungs- und Datenschutzfragen gefördert werden.

Strategie benennt prioritäre Projekte

Am 27. Juli 2022 hat das Bundeskabinett die Start-up-Strategie beschlossen. Sie listet verschiedene Maßnahmen auf, die den Datenzugang für Start-ups verbessern sollen. So will die Bundesregierung die Belange von Start-ups beim Aufbau des Dateninstituts besonders berücksichtigen. Im Austausch mit Start-Ups sollen Pilotprojekte zu Datentreuhandmodellen initiiert werden. Beratungs- und Datennutzungsangebote sollen maßgeschneidert auf die Bedürfnisse von Start-ups ausgerichtet werden. Die Rechts- und Verfahrenssicherheit für Datenräume und Datenbeziehungen soll praxisnah gestärkt werden. Daneben will die Bundesregierung einen Rechtsanspruch gegenüber dem Bund auf Open Data in interoperablen Formaten und über offene Schnittstellen schaffen. Der Zugang zu Daten des öffentlichen Sektors soll damit einfacher werden. Um das Datenteilen zwischen KMU und Gründer:innen anzureizen, sollen KI-Voucher eingeführt werden. Diese Voucher sollen das finanzielle Risiko für KMU begrenzen. Start-ups sollen zudem an die Dateninfrastruktur von Gaia-X herangeführt werden.

Auch die EU-Kommission sucht mit dem Data Act nach Strategien, um die Zugänge zu Daten neu zu organisieren und einen Standard für das leichtere Teilen zwischen Konzernen, Gründer:innen, Forschungseinrichtungen, Ämtern und Bürger:innen zu entwickeln. Die Bundesregierung will sich deshalb bei den Verhandlungen zum europäischem Data Act für angemessene Anreize zum Datenteilen sowie für Datenzugänge für Start-ups einsetzen, ist in der Start-up-Strategie zu lesen.

Bundesregierung setzt auf Geschwindigkeit

Nach dem Kabinettbeschluss soll die Strategie nun zügig umgesetzt werden. Der Bundesregierung gehe es darum, sehr viel schneller als bisher vom Konzept ins Handeln zu kommen, sagte Anna Christmann bei der Sitzung des Wirtschaftskreises in der HBS. Viele Maßnahmen seien bereits in Vorbereitung und könnten relativ schnell in die Realisierung gehen. Jährlich will die Bundesregierung die Strategie überprüfen, über den Stand der Umsetzung berichten und gegebenenfalls nachsteuern. Bleibt zu hoffen, dass die Bundesregierung dieses Tempo halten kann. Denn davon hängen zentrale Projekte ab, allen voran die Dekarbonisierung unserer Wirtschaftsweise. Und hier tickt die Uhr.