Die Zukunft der Rechte von Frauen und LGBTQ+ in Thailand

Analyse

Nach den kürzlich stattgefundenen Wahlen in Thailand ist die Zusammensetzung des nächsten Parlaments noch unklar. Entsprechend ungewiss ist auch die Zukunft der Rechte von Frauen und LGBTQ+ im Land.

Weiblich gelsene Personen mit Fahnen und Transparenten laufen über eien große Regenbogen-Fahne
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Pride in Bangkok 2022.

Nach den von feministischen und LGBTQ+-Aktivist:innen organisierten Protesten von 2020 wird in Thailand derzeit mehr über die Rechte von Frauen und LGBTQ+ (Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender, Queer/Questioning und anderen) diskutiert als je zuvor. Zudem wird im Parlament gerade ein Gesetz debattiert, das Geschichte schreiben würde: die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe. In den politischen Antworten der wichtigsten thailändischen Parteien – oder bei einigen auch in den nicht vorhandenen Antworten – auf Genderfragen bezüglich verschiedener Lebensaspekte von Frauen und LGBTQ+ kommen deren aktuelle Einstellungen zu diesem Thema zum Ausdruck.

Frauenrechte

Die Parteien, die Frauenrechte thematisieren, konzentrieren sich auf Gesundheitsversorgung, Periodenarmut, Mutterschaftsurlaub, Kinderbetreuung und finanzielle Unterstützung für Frauen mit niedrigem Einkommen. Die vor den Wahlen größten Oppositionsparteien, die Move-Forward-Partei (MFP) und die Pheu-Thai-Partei (PTP), die bei den Wahlen die meisten und zweitmeisten Stimmen für sich gewinnen konnten, räumen beide der Frauenpolitik einen hohen Stellenwert ein. Auch die neugegründeten Parteien Thai-Sang-Thai (TST) und United Thai Nation (UTN) haben Frauenrechte in ihrem politischen Programm.

Zur Bekämpfung der Periodenarmut will die MFP alle Menstruationsprodukte von der Mehrwertsteuer befreien und in Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in den Unterbezirken kostenlos Monatsbinden ausgeben. Zudem will die Partei den bezahlten Mutterschaftsurlaub auf 180 Tage verlängern. Dabei ist es auch möglich, dass die Väter die Elternzeit mit den Müttern teilen. Zudem will die Partei mehr Kinderbetreuungszentren und Stillmöglichkeiten in Arbeitsplatznähe einrichten.

Die PTP spricht von kostenlosen Monatsbinden für alle, aber der Schwerpunkt ihrer Frauenpolitik sind zum einen kostenlose HPV-Impfungen für alle Frauen, da Gebärmutterhalskrebs nach Brustkrebs die zweithäufigste Todesursache bei thailändischen Frauen ist, und zum anderen eine finanzielle Unterstützung von Frauen durch den sogenannten Women Empowerment Fund. Dieser Fonds bietet unterprivilegierten Frauen Finanzhilfen und verschafft ihnen Erwerbsmöglichkeiten. Er wurde von der Partei während der Regierungszeit von Premierministerin Yingluck Shinawatra (2011–2014) eingerichtet. Auch diese Partei ist für eine Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs von derzeit 98 auf 180 Tage mit der Option auf Vaterschaftsurlaub. Das Recht auf Mutter-/Vaterschaftsurlaub gilt auch für LGBTQ+.

Die 2021 von ehemaligen Mitgliedern der PTP gegründete TST hat mehrere Ansätze in ihrer Frauenpolitik. Studentinnen und Frauen mit niedrigem Einkommen sollen Monatsbinden kostenlos erhalten und auch die HPV-Impfungen für Mädchen, Brustkrebsvorsorge und Vaginaluntersuchungen sollen kostenfrei sein. Zudem will auch diese Partei einen Fonds gründen, um Frauen eine berufliche Karriere zu ermöglichen.

Die UTN, die 2021 mit dem amtierenden Premierminister Prayut Chan-o-cha als Spitzenkandidat gegründet wurde, will die Geschlechtergleichstellung mit Richtlinien zur Gleichstellung am Arbeitsplatz und vor allem in der Politik fördern. Zu ihren weiteren frauenpolitischen Ansätzen gehören der Schutz von Frauen gegen Belästigungen im Internet durch Gesetze gegen Cyber-Grooming, Chatbots und KI sowie die Aufnahme von Thai-Boxen in den Lehrplan von Schulen, damit Kinder Selbstverteidigung lernen.

Die anderen großen Parteien haben keine gesonderte Frauenpolitik oder stellen sie auf ihren offiziellen Webseiten nicht heraus.

Rechte der LGBTQ+

Die Rechte von LGBTQ+ sind in den Blickpunkt der thailändischen Öffentlichkeit gerückt, als das Parlament 2022 über Gesetze zu gleichgeschlechtlicher Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft zu debattieren begann. Was aus beiden Gesetzen wird, liegt jetzt in den Händen des neugewählten Parlaments. Die meisten Parteien machen ihren Standpunkt zu den Gesetzen zu gleichgeschlechtlicher Ehe, eingetragener Partnerschaft und anderen Fragen bezüglich der Rechte von LGBTQ+ öffentlich.

Die MFP unterstützt die gleichgeschlechtliche Ehe. In ihrem politischen Programm spricht sie sich auch für die Möglichkeit zur Geschlechtsangleichung aus, für die keine vorherige Einwilligung eines Mediziners nötig ist, für die Möglichkeit zur Änderung des Namens- und Geschlechtseintrags (genderneutral oder keine Angabe) und für Gesetze gegen Diskriminierung aufgrund von Geschlecht und sexueller Orientierung.

Die PTP befürwortet die gleichgeschlechtliche Ehe und verfolgt weitere politische Ziele in Bezug auf LGBTQ+-Personen. Beispielsweise sollten trans* Personen Zugang zu Hormontherapie bekommen, die in das Gesetz über die öffentlichen Gesundheitsleistungen aufgenommen werden sollte. Zudem unterstützt die Partei die Möglichkeit, Namens- und Geschlechtseintrag ändern zu lassen.

Die TST, eine weitere Partei, die für die gleichgeschlechtliche Ehe eintritt, ist ebenfalls dafür, dass Hormontherapien in die öffentlichen Gesundheitsleistungen aufgenommen werden, und will einen Fonds zur Finanzierung operativer Geschlechtsangleichungen einrichten.

Die Einstellung anderer großer Parteien wie der Demokratischen Partei, der Bhumjaithai-Partei und der UTN zu den Gesetzen zur gleichgeschlechtlichen Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaft ist unklar. Ihrem bisherigen Abstimmungsverhalten über diese Gesetze nach zu urteilen, sind diese Parteien wohl eher für die eingetragene Partnerschaft, die gleichgeschlechtlichen Paaren zwar einige Rechte einräumt, aber nicht alle Rechte, die heteronormativen Ehepartnern zustehen, wie es das Gesetz über die gleichgeschlechtliche Ehe anstrebt.

Die Zukunft ist noch ungewiss …

Zwar unterstützen sowohl die MFP als auch die PTP in ihren politischen Programmen deutlich die Rechte von Frauen und LGBTQ+, aber es ist noch unklar, wer tatsächlich die nächste Regierung in Thailand bilden wird. Deshalb ist auch noch unklar, ob sich die Lebensbedingungen von Frauen und LGBTQ+-Personen in Thailand tatsächlich verbessern werden. Die beiden Parteien haben die Mehrheit der Stimmen erhalten, verhandeln aber noch über eine Koalition, zu der auch viele weitere Parteien gehören würden und die immer noch weitere Stimmen bräuchte, damit ihr Kandidat zum Premierminister gewählt wird.

Die Mehrheit der Parteien, die hinter der noch amtierenden Regierung stehen, gehört zum konservativen Spektrum. Zwar unterstützen einige von ihnen, wie die UTN, Frauenrechte in ihren politischen Programmen, aber die meisten verfolgen überhaupt keine gesonderte Frauenpolitik oder räumen dieser in ihren Programmen keinen hohen Stellenwert ein.

Die gleichgeschlechtliche Ehe ist eine wichtige Frage für die gesamte Nation, denn bei ihrer gesetzlichen Einführung räumt sie der LGBTQ+-Bevölkerung gleiche Rechte ein. Bisher sprechen sich lediglich die PTP, die MFP und die von ehemaligen PTP-Mitgliedern gegründete TST für die gleichgeschlechtliche Ehe aus. Alle anderen Parteien sind eher für die eingetragene Lebenspartnerschaft.

Die thailändische Wählerschaft hat eindeutig für einen Regierungswechsel gestimmt, aber der Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Die Hoffnungen auf eine bessere Zukunft für Frauen und LGBTQ+ wären sehr getrübt, wenn die progressiveren Parteien nicht als die nächste legitime Regierung anerkannt würden, aber das heißt nicht, dass es gar keine Hoffnung mehr gäbe. Durch die Proteste der feministischen und LGBTQ+-Aktivist:innen sind deren Recht in den Blickpunkt und das Bewusstsein der Menschen in Thailand gerückt. Wenn sich die Situation von Frauen und LGBTQ+ nicht verbessert, ist in der nächsten Legislaturperiode mit weiteren Demonstrationen von Feminist:innen, LGBTQ+ und ihren Verbündeten zu rechnen.

 


Übersetzung aus dem Englischen von Ina Goertz.