Daten für nachhaltige urbane Mobilität: ein transatlantischer Vergleich

Analyse

Daten und digitale Technologien können den Übergang zu umweltfreundlicheren und gerechteren städtischen Verkehrssystemen unterstützen. Dieses Projekt untersucht, wie öffentlich-privater Datenaustausch und nahtlose Mobilität zwischen den Verkehrsträgern dazu beitragen können, dass Deutschland und die USA ihre Klima- und Inklusionsziele erreichen.

Mobilitätsstudie Landing Seite Grundbild

Die Umgestaltung der urbanen Mobilität ist zentral für Klimaziele und sozioökonomische Gerechtigkeit. Der Klimawandel und die Überlastung des städtischen Raums zwingen autozentrierte Länder dazu, ihre Mobilitätssysteme neu zu konzipieren. Überall auf der Welt fordern Stadtbewohner*innen einen einfachen und gerechten Zugang zu Bildungseinrichtungen, Arbeitsplätzen und anderen Dienstleistungen sowie einen lebenswerten öffentlichen Raum. Der Zugang zu sauberen, sicheren und zuverlässigen Verkehrsmitteln ist der Schlüssel zum Erreichen dieser beiden städtischen Ziele – Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit.

Sowohl Deutschland als auch die Vereinigten Staaten haben es versäumt, ihre CO2-Emissionen im Verkehrssektor seit 1990 erheblich zu senken. Die verantwortliche Nutzung von Daten und digitalen Technologien in städtischen Verkehrssystemen könnte beiden Ländern helfen, auf Kurs zu kommen.

Zwei Strategiepapiere, die vom Eno Center for Transportation und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie vorgelegt wurden, entwickeln spezifische Empfehlungen für die USA und Deutschland, die auf aktuellen Mobilitätstrends und bestehenden Rahmenbedingungen aufbauen. Die Autor*innen sind sich einig, dass Mobilitätsdaten systemübergreifend und in harmonisierten Formaten verfügbar sein sollten – unter Wahrung von Datenschutz und Datensicherheit. Dafür sind Regulierungs- und Governance-Systeme nötig, die den sicheren Austausch von Mobilitätsdaten zwischen verschiedenen Akteuren erleichtern. Das alles sollte dem Ziel von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit dienen.

Daten über Fahrgastbewegungen, Fahrzeugflotten, Fahrgeldzahlungen und Verkehrsinfrastrukturen haben ein immenses Potenzial, Städte bei der Planung, Regulierung und Durchsetzung ihrer Mobilitätssysteme zu unterstützen. Darüber hinaus hat der Internetzugang über Mobiltelefone die Entstehung neuer Mobilitätsdienste begünstigt. Diese können durch Mobility-as-a-Service (MaaS)-Plattformen miteinander verknüpft werden, um nahtlose Fahrten über mehrere Verkehrsmodi hinweg zu ermöglichen.

Lokale Lösungen in den USA, zentraler Ansatz in Deutschland

Die USA und die EU gehen unterschiedliche Wege, um Mobilitätsdaten und MaaS-Plattformen für das Gemeinwohl zu nutzen. In den USA werden Lösungen auf lokaler Ebene entwickelt – mit Städten, die als Labor für lokale Experimente fungieren, während die EU und Deutschland sich in Richtung umfassender Verpflichtungen zur Datenweitergabe für Verkehrsunternehmen und private Akteure bewegen. In den USA nutzen Städte und Bundesstaaten Mobilitätsdaten, um Sicherheit, Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit im privaten Mobilitätssektor besser durchzusetzen. Die deutsche Debatte konzentriert sich auf die Verringerung des Autoverkehrs und dessen Nutzung durch die Förderung intermodaler Alternativen wie Bikesharing und digitalen Anrufsammeltaxis öffentlicher Verkehrsunternehmen (On-Demand-Ridepooling).

In den USA gibt es keine speziellen Gesetze für gemeinsam genutzte Mikromobilität (z. B. E-Scooter oder Bikesharing), aber viele Städte zwingen die Anbieter, im Rahmen des Genehmigungs- oder Vertragsprozesses Daten zu teilen. Sie haben sich schwergetan, das Gleiche mit Ridehailing-Unternehmen (wie Uber oder Lyft) zu tun, für die die meisten US-Städte nicht die gleichen Regulierungsbefugnisse haben. Ähnlich ist die Situation in Deutschland, wo die Städte eine Kombination von Methoden wie Absichtserklärungen, Sondernutzungserlaubnisse (für Mikromobilität, Carsharing) oder Beschaffungsprozesse (für den öffentlichen Verkehr) eingesetzt haben, um Daten über Mobilitätsdienstleistungen zu erhalten. Selbst wenn die Städte in beiden Ländern Zugang zu Daten von privaten Mobilitätsdienstleistern haben, haben sie Schwierigkeiten, die verfügbaren Daten zu nutzen, da die Aufgabe des Datenzugangs, der Integration und der Analyse ihre Ressourcen übersteigt.

Auf EU-Ebene gibt die Europäische Datenstrategie einen Anstoß zur Entwicklung eines kommerziellen Marktplatzes für den Austausch von Daten zwischen Akteuren aus verschiedenen Bereichen wie Mobilität, Gesundheit oder Energie. Deutschland hat vor kurzem den Mobilitätsdatenraum ins Leben gerufen, eine Gemeinschaft für den kommerziellen Austausch von Mobilitätsdaten, die darauf abzielt, Datenformate, Vertragsabschlüsse und Sicherheit zu standardisieren. Im Gegensatz dazu gibt es in den USA nur wenige föderale oder zentralisierte Bemühungen zur Integration von Mobilitätsdaten und zur Erleichterung ihres sicheren Austauschs zwischen verschiedenen Akteuren. Das US-Verkehrsministerium hat die Secure Data Commons (SDC) eingerichtet, die es Datenanbietern und Datenanalyst*innen ermöglicht, Daten auf der Grundlage individueller Vereinbarungen auszutauschen, in der Regel im Rahmen von zeitlich begrenzten Forschungsprojekten.

Öffentlich-privater Datenaustausch für bessere Planung und Dienstleistungen

Die gemeinsame Nutzung von Daten ist ein wichtiges Instrument, um nachhaltige und gerechte Mobilitätsergebnisse zu fördern. Mit dem richtigen Regulierungs- und Anreizrahmen können Städte Daten nutzen, um Fahrten effizienter zu gestalten, die Nutzung von Einzelfahrzeugen zu minimieren, nachhaltigen Verkehrsträgern Vorrang einzuräumen und den Übergang zu emissionsfreien und emissionsarmen Kraftstoffen zu ermöglichen. Sie können Zugang und Chancengleichheit verbessern, indem sie Mobilität für alle ermöglichen, unabhängig von Geschlecht, körperlichen Fähigkeiten, Wirtschaftskraft und geografischer Lage.

Daten über die Fahrgastzahlen von Ride-Hailing-Unternehmen können Informationen darüber liefern, ob diese Fahrten nachhaltigere Verkehrsmittel verdrängen oder komplementieren. Solche Daten können außerdem für Programme zur Emissionsreduzierung, wie z. B. Staugebühren, oder für die Planung hochwertiger nachhaltiger Verkehrsdienste verwendet werden. Mobilitätsdaten helfen auch bei der Planung von von On-Demand-Ridepooling in dünn besiedelten und verkehrsarmen Gegenden.

Gemeinsam genutzte Mobilitätsdaten sind nicht nur für die Verkehrsplanung relevant, sondern auch für die Schaffung nahtloser Mobilitätsoptionen durch sogenannte Mobility-as-a-Service (MaaS)-Plattformen. Diese Plattformen ermöglichen eine verkehrsträgerübergreifende Reiseplanung (einschließlich öffentlichem Nahverkehr, Ridehailing und Mikromobilität). MaaS-Lösungen können die Abhängigkeit vom Privatwagen verringern, indem sie Verkehrsdienste vielseitiger, zuverlässiger und bequemer machen.

In Deutschland stehen die öffentlichen Verkehrsbetriebe im Zentrum der Mobilitätsversorgung, zumindest in den Städten. Sie haben in den letzten Jahren ihr Angebot erweitert, indem sie unter ihren eigenen Labels Bikesharing- und On-Demand-Ridepooling einführen und ein integriertes Routing und Ticketing anbieten. Viele private Mobilitätsdienstleister - die ein großes Interesse an guten Beziehungen zu den Städten haben, die sie regulieren - arbeiten "freiwillig" mit den öffentlichen Plattformen zusammen, führen jedoch harte Verhandlungen über Integrationskosten und Servicebereiche.

Neben den öffentlichen Plattformen haben sich in Deutschland auch einige private Plattformen entwickelt. Am bemerkenswertesten ist die Plattform FreeNow (gegründet von Daimler und BMW), die in 150 Städten in mehreren europäischen Ländern verfügbar ist. FreeNow konzentriert sich auf Dienstleistungen im Bereich der Automobilität, umfasst aber auch Mikromobilität und einen Anbieter des öffentlichen Nahverkehrs in Deutschland.

In den USA wurden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene Technologie-Tools eingeführt, die bei der Integration der Verkehrsträger und der Einführung von MaaS helfen können. Dennoch bieten die meisten Städte und ihre öffentlichen Verkehrsbetriebe derzeit keine Online-Ticketing-Plattform an. Das jüngste umfassende MaaS-Tool (Move PGH) in Pittsburgh beruht auf einer Partnerschaft zwischen dem Department of Mobility and Infrastructure (DOMI) der Stadt, dem Anbieter von Elektrorollern (Spin), dem Carsharing-Anbieter (Zipcar), dem Anbieter von Elektromopeds (Scoobi) und dem Anbieter von Fahrgemeinschaften (Waze Carpool). Ergänzt wird dies durch die Einrichtung von "Mobilitätsknotenpunkten", d. h. von Orten, die die verschiedenen Verkehrsträger physisch miteinander verbinden. In Ermangelung gesetzlicher Vorschriften für das Datenteilen, sind US-Städte gezwungen, den Datenzugang mit privaten Dienstleistern auszuhandeln. Dies ist eine besondere Herausforderung im Fall von Ride-Hailing-Unternehmen, die in der Regel keine Routenplanungsanwendungen unterstützen, die einen Preisvergleich mit ihren Wettbewerbern erlauben würden.

Datenrisiken: Datenschutz, Verzerrungen und Rebound-Effekte

Mobilitätsdaten haben ein immenses Potenzial, Städte dabei zu unterstützen, den Verkehr sicher, effizient, umweltverträglich und gerecht zu gestalten. Die Berichte von Eno und Wuppertal plädieren für eine breitere gemeinsame Nutzung von Mobilitätsdaten und die Ausweitung multimodaler MaaS-Plattformen – vorausgesetzt, verschiedene Risiken und Bedenken werden adressiert:

Personenbezogene Daten dürfen nicht gefährdet werden.

Datenschutz und Datensicherheit sind eine Priorität für jede Art von Datenaustausch, auch für Mobilitätsdaten. Während viele Verkehrsdaten nicht personenbezogen sind, ändert sich dies, wenn Ridehailing- oder Mikromobilitätsanbieter Zugang zu individuellen Fahrtdaten gewähren. Mobilitätsdaten können bei einer ausreichenden Anzahl von Datenpunkten leicht de-anonymisiert werden, wenn sie mit externen Datensätzen ergänzt werden, die persönliche Informationen enthalten.

In der EU fallen personenbezogene Daten unter die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Das bedeutet, dass sie nur mit Zustimmung der Nutzer*innen oder auf bestimmten Rechtsgrundlagen verwendet werden dürfen. Die betroffenen Personen müssen darüber informiert werden, welche Daten über sie gespeichert sind und wie sie deren Löschung beantragen können. Jede Organisation, die Mobilitätsdaten sammelt oder verarbeitet, muss potenzielle Bedrohungen für die betroffenen Personen untersuchen und einen entsprechenden Bericht an den regionalen Datenschutzbeauftragten senden. Aber die DSGVO ist in Bezug auf Mobilitätsdaten nicht sehr genau, und unterschiedliche Urteile über dieselbe Datenverarbeitung in verschiedenen Bundesländern haben die Unternehmen verwirrt.

In den USA ist die Situation in Abwesenheit eines nationalen Datenschutzgesetzes noch komplizierter. Bis März 2023 haben sechs US-Bundesstaaten umfassende Datenschutzgesetze verabschiedet, die die Pflichten der Unternehmen und die Rechte der Verbraucher festlegen. Darüber hinaus verpflichten mindestens 32 US-Bundesstaaten staatliche Behörden und andere Regierungsstellen zur Anwendung von Datensicherheitsmaßnahmen. Die meisten dieser Gesetze gelten jedoch nicht für Kommunalverwaltungen. In diesem Vakuum haben die Städte ihre eigenen Strategien und Richtlinien verabschiedet.

Multimodale Mobilität sollte nicht die Dominanz des Autos fördern.

Unter bestimmten Umständen können autobasierte Mobilitätsdienste wie Carsharing oder Ridehailing zu Rebound-Effekten führen, indem sie den Kohlenstoff-Fußabdruck des städtischen Verkehrs vergrößern, anstatt ihn zu verringern. Dies ist der Fall, wenn Fahrten mit dem Auto anstelle von nachhaltigen Verkehrsmitteln (öffentliche Verkehrsmittel, zu Fuß, mit dem Fahrrad usw.) durchgeführt werden oder wenn Mitfahrdienste Leerfahrten zum Aufnehmen oder Absetzen von Fahrgästen verursachen.

Ebenso können Reiseplanungstools den Nachhaltigkeitszielen zuwiderlaufen, wenn sie dem Autoverkehr den Vorzug geben. Eine politische Lösung könnte darin bestehen, Anbieter von MaaS-Plattformen zu verpflichten oder zu ermutigen, Kund*innen über die CO2-Emissionen ihrer Fahrten zu informieren, wie bei den umweltfreundlichen Routing-Optionen auf Google Maps.

Mitfahrzentralen und Carsharing bieten jedoch auch das Potenzial, Autofahrten und -besitz zu reduzieren. On-Demand-Ridepooling kann mehrere Fahrten bündeln und ermöglicht es, die letzte Meile zwischen Zug und Wohnung in dünn besiedelten Gebieten zurückzulegen. Für Menschen, die ein Auto nur für wenige Fahrten pro Woche benötigen, kann Carsharing oder Ridepooling den Verzicht auf ein eigenes Fahrzeug ermöglichen. Autogestützte Mobilitätsdienste sollten in Anwendungen integriert werden, die ökologisch vorteilhafte Optionen fördern, aber unterschiedliche Lösungen für unterschiedliche Bedürfnisse bieten.

Mobilitätsdaten und MaaS-Apps dürfen keine Bevölkerungsgruppen ausschließen

MaaS-Apps und die ihnen zugrundeliegenden Daten müssen um Verzerrungen bereinigt werden, bevor sie als Mittel für eine inklusive Verkehrsplanung dienen können. Solche Verzerrungen können entstehen, wenn spezifische Gruppen digitale Dienstleistungen stark nutzen und daher besser in den Daten repräsentiert werden als andere. Mikromobilitätsdienste wie E-Scooter und Bike-Sharing sind in der Regel nicht für den Transport von Kindern und Einkäufen oder für unbegleitete Fahrten von Kindern und Menschen mit Behinderung geeignet. On-Demand-Ridepooling und Ridehailing bieten jedoch häufig eine lokale Abholung und barrierefreie Fahrzeuge an, so dass sie einen großen Mobilitätsgewinn für mobilitätseingeschränkte Menschen und eine Erleichterung für Menschen mit Pflegeaufgaben darstellen können.

Mobilitätsdaten können auch bestimmte Nutzergruppen benachteiligen. So werden bei der Verwendung von Daten aus standortbezogenen Diensten Menschen mit Zugang zu Mobiltelefonen und Internetdiensten überrepräsentiert. Verkehrsbetriebe und Städte, die solche Daten zur Bedarfsermittlung und für Planungsentscheidungen verwenden, könnten so zu Maßnahmen verleitet werden, die eine Minderheit von Nutzer*innen begünstigen, wenn sie keine anderen ergänzenden Datensätze zur Triangulation ihrer Daten verwenden.

Bessere Datennutzung, um Bürger*innen zu stärken und Systeme zu entlasten

Die Verfügbarkeit, der Zugang und die Nutzung von Mobilitätsdaten in den USA und Deutschland unterscheiden sich aufgrund unterschiedlicher Regulierungs- und Mobilitätsmanagementsysteme. In Deutschland könnten neue EU- oder nationale Gesetze bundesweite Standards für den Austausch und die Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten sowie umfassende MaaS-Plattformen schaffen, die alle Anbieter von Mobilitätsdienstleistungen im Land einschließen. Im föderalen Kontext der USA werden Fortschritte wahrscheinlich eher von der Zusammenarbeit zwischen Städten ausgehen.

Aus beiden Berichten wird deutlich, dass eine bessere Verfügbarkeit von Mobilitätsdaten den Städten die Möglichkeit gibt, evidenzbasierte Strategien zu entwickeln, um ihre Klima- und Integrationsziele zu erreichen. Mobility-as-a-Service-Plattformen können darüber hinaus allen Bürger*innen die Möglichkeit geben, ihre Ziele auf eine Weise zu erreichen, die das System und den Einzelnen weniger belastet. Wenn Regierungen und der private Sektor Innovationen entwickeln, um den sicheren Datenaustausch zu erweitern und Risiken zu minimieren, können Mobilitätsdaten zu Klimaschutz und Inklusion führen: Sie können Städte lebenswerter machen, Umweltauswirkungen reduzieren und Mobilität für alle zugänglicher machen.