Moore im Kongobecken: Nasse Klimaschützer in Gefahr

Interview

Die Moore des afrikanischen Cuvette Centrale im Kongobecken speichern mehr Kohlenstoff als der Regenwald, der es überragt. Doch Torf ist als Kohlenstoffspeicher nur dann wertvoll, wenn er wassergesättigt und unangetastet im Boden bleibt. Irene Wabiwa Betoko von Greenpeace Afrika spricht über die Gefahren für die Torfmoore im Kongobecken und über Möglichkeiten, sie zu schützen.

Das Bild zeigt eine Sumpflandschaft mit Schilfartigen Gräsern im Vordergrund, dahinter dichtgewachsene, größere Bäume, alles in hellen Grüntönen

Warum ist das Kongobecken so wichtig für die Klimastabilität?

Irene Wabiwa Betoko: Das Kongobecken ist nach dem Amazonas der zweitgrößte Regenwald der Welt und eine der größten Kohlenstoffsenken. Sein Beitrag zur Klimastabilität ist enorm, aber der Wald erfüllt auch andere wichtige Funktionen. Das Kongobecken ist ein Hotspot der Biodiversität und Heimat für viele bedrohte Arten. Dort leben auch viele Millionen Menschen, Indigene Gemeinschaften – siebzig Prozent von ihnen sind auf diesen Wald angewiesen, um zu überleben.

Noch gehört der Wald und seine Moore zu den intaktesten der Welt – nicht weil die Regierung sich besonders viel Mühe gibt den Wald zu schützen, sondern weil das Gebiet weitestgehend unzugänglich ist. Leider ist das Kongobecken aus mehreren Gründen bedroht.

Was sind das für Bedrohungen?

Im Juli 2022 eröffnete die Regierung der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) eine Auktion für 27 Onshore-Ölblöcke und drei Gasblöcke im Kiwusee. Die Fläche, die betroffen wäre, entspricht der Größe des Vereinigten Königreichs.

Wissenschaftler*innen warnen davor, dass die Erweiterung der Ölförderung elf Millionen Hektar Regenwald zerstören würde, darunter eine Million Hektar Moore. Moore sind die effektivsten natürlichen Kohlenstoffsenken – die Moore im Kongobecken speichern mehr als 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff und beherbergen eine Vielzahl von Tierarten.

Wissenschaftler*innen haben auch empfohlen, dass in diesem sehr sensiblen Ökosystem keine industrielle Aktivität erlaubt sein sollte. Andernfalls verliert es seine Fähigkeit, Kohlenstoff zu speichern, und wird stattdessen zu dem, was wir eine „Kohlenstoffbombe“ nennen, da Milliarden Tonnen CO2 freigesetzt werden – mit verheerenden Auswirkungen für die Menschheit und den Planeten.

Abgesehen von den Ölblöcken wird das Moor auch durch Abholzung bedroht – ein FSC-zertifiziertes (Forest Stewardship Council für nachhaltige Holzwirtschaft), multinationales Unternehmen schlägt dort bereits Holz – auch wird die Umwandlung von Wald in landwirtschaftliche Flächen vorangetrieben und Waldflächen werden für den Bergbau abgeholzt.

Wie arbeitet Greenpeace Africa, um die Moore im Kongobecken zu schützen?

Aktuell setzen wir uns dafür ein, so viele Ölunternehmen wie möglich von der Versteigerung fernzuhalten und weiterhin Druck auf die Regierung auszuüben, die Auktion zu stoppen. Wir haben Total, BP, Shell und viele andere kontaktiert, um sie vor den verheerenden Auswirkungen zu warnen, die die Zerstörung des Regenwalds im Kongobecken für ihre Reputation hätte. All diese großen Unternehmen haben uns gesagt, dass sie nicht an der Auktion teilnehmen werden. Lediglich der anglofranzösische Konzern Perenco hat auf Medienanfrage eine Stellungnahme abgelehnt. Es ist bekannt, dass Perenco Gebote für zwei Blöcke abgegeben hat. Der Auktionsprozess wurde aufgrund fehlenden Interesses mehrmals verschoben, die Ergebnisse könnten bis März 2024 bekannt werden.

Wir haben eine Reihe von Schulungen in verschiedenen Gebieten mit lokalen Gemeinschaften und Gespräche mit Behörden durchgeführt. Wir haben Wissenschaftler*innen eingeladen, über die Bedeutung von Mooren für Menschen und Klima zu sprechen und zu erklären, welche Aktivitäten diesem Ökosystem schaden und warum.

Was sind die größten Herausforderungen für euch?

Die erste Herausforderung ist die schlechte Regierungsführung. Das betrifft die DR Kongo, wo ich tätig bin und aktiv Kampagnenarbeit betreibe. Das Moor ist ein hochsensibles Ökosystem und durch die Ramsar-Konvention, einem globalen Vertrag über Feuchtgebiete, geschützt. Dieses internationale Übereinkommen wird jedoch national nicht respektiert. Bisher gab es viele Gespräche darüber, dass wir spezifische nationale Vorschriften zum Schutz von Mooren benötigen. Aber die gibt es noch nicht. Deshalb kann die Regierung der DR Kongo Ölblöcke innerhalb der Moore versteigern.

Ein weiteres Hindernis ist der Mangel an Informationen über die Bedeutung von Mooren in Behörden und auf bestimmten staatlichen Ebenen. Den Gemeinschaften, die in diesem Ökosystem leben, ist bewusst, dass die Moore für sie überlebenswichtig sind und ihre traditionelle Nutzung schadet dem Ökosystem nicht. Aber sie wussten bis vor kurzem nicht, welche kritische Rolle es für die globale Klimastabilität spielt. Und auch die lokalen Behörden wissen es nicht.

Gemäß der nationalen Gesetzeslage in der DR Kongo können Ölkonzessionen überall – sogar in Nationalparks – vergeben werden, solange die Aktivitäten nicht „inkompatibel“ mit dem Naturschutz sind.

Der Regenwald des Kongobeckens erstreckt sich über sechs Länder – warum ist die DR Kongo für den Schutz dieses Ökosystems so zentral?

Ja, das Kongobecken erstreckt sich über die DR Kongo, Kamerun, die Zentralafrikanische Republik, die Republik Kongo, Äquatorialguinea und Gabun. Aber mehr als sechzig Prozent des Waldes befinden sich in der DR Kongo. Es ist eines der Länder, in denen die intakteste Waldlandschaft und zwei Drittel des Regenwaldmoors zu finden sind. Große Teile des Moors liegen innerhalb der Abholzungsgebiete eines der beiden bekanntesten multinationalen Holzunternehmen des Landes, der Congolaise industrielle des Bois (CIB). Das Unternehmen hat – wenig überraschend – sogar ein Zertifikat des Forest Stewardship Council für nachhaltige Holzwirtschaft. Alle Bemühungen für den Schutz des Regenwaldes im Kongobecken sollten also damit beginnen, Unternehmen wie CIB und ihre Greenwashing-Gehilfen zu entlarven.

Welche Rolle spielen internationale Abkommen zum Schutz des Kongobeckens?

Bei der Klimakonferenz in Glasgow im Jahr 2021 unterzeichnete die Regierung der DR Kongo einen Vertrag über 500 Millionen US-Dollar mit der Zentralafrikanischen Waldinitiative (CAFI), einer von Norwegen angeführten Gruppe von Geberländern, die Waldschutzprogramme finanziert. Ein paar Monate später kündigte die Regierung die Auktion von 30 Öl- und Gasblöcken an – faktisch abgesegnet durch das Waldschutzabkommen. In den entscheidenden Passagen der Absichtserklärung wird lediglich gefordert, Überschneidungen mit Schutzgebieten möglichst zu vermeiden und Schäden durch potenzielle Bohrungen „zu begrenzen“.

Wie ich bereits erwähnt habe, hat es den Anschein, dass die großen Ölkonzerne sehr wenig Interesse am Öl der DR Kongo haben. Mehrere Ölexpert*innen sind sogar davon überzeugt, dass die Regierung der DR Kongo selbst gar kein Interesse an der Ölauktion hat. Ihr geht es in erster Linie nicht um mögliche Bohrungen, sondern darum, Unterschriftsprämien und andere Zahlungen im Zusammenhang mit dem Ausschreibungsverfahren zu kassieren. Die Androhung von Ölbohrungen ist außerdem eine wirksame Erpressungsstrategie gegenüber den Geberländern, solange der Prozess auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann.

Welche Bedeutung haben Moore für die lokalen Gemeinschaften?

Wir wissen nicht genau, wie viele Gemeinschaften in den Moorgebieten leben. Aber sicher ist, dass die Moore für viele Millionen Menschen überlebenswichtig sind. Die Gemeinschaften haben auch eine spirituelle Verbindung mit dem Moor, weil es Teil ihres heiligen Waldes ist. Seine Zerstörung bedeutet die Zerstörung ihres spirituellen Lebens, ihrer traditionellen Verbindung mit dem Wald und ihres sozioökonomischen Lebens, da sie Fischerei betreiben und Pilze im Moor sammeln.

Wir müssen aus dem traditionellen Wissen der lokalen Gemeinschaften lernen, denn sie wissen, wie man den Wald schützt. Als wir die Provinz Äquator – eine der waldreichsten Provinzen der DR Kongo – besuchten, waren die Wissenschaftler*innen tief beeindruckt davon, in welchem guten Zustand das Moor ist. Den Gemeinschaften ist sehr bewusst, wie empfindlich dieses Ökosystem ist, und sie erlauben beispielsweise keine zerstörerischen Aktivitäten wie großflächigen landwirtschaftlichen Anbau in diesem Gebiet.

Wie argumentieren Regierungsbeamte, um die lokalen Gemeinschaften zu überzeugen, das Land anders zu nutzen?

Sie sagen ihnen, dass viel Geld in diesen Nutzungsformen steckt, dass es eine enorme Entwicklungschance für das ganze Land ist und dass viele Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist jedoch nicht der Fall. Die DR Kongo verfügt beispielsweise über reiche Mineralressourcen, die seit Jahrzehnten abgebaut werden – aber aufgrund der weit verbreiteten Korruption kommen die Gewinne nicht bei den Menschen an. Der Beitrag dieses Sektors zur nationalen Wirtschaft ist sehr gering, und es gibt so viele Alternativen wie Naturschutz und Investitionen in den Tourismus, die der Wirtschaft tatsächlich helfen würden.

Die Wälder spielen eine so wichtige Rolle für die Klimastabilität, dass die DR Kongo gegenüber der internationalen Gemeinschaft in einer starken Verhandlungsposition ist. Was sind deine Hoffnungen und Erwartungen für die Zukunft der Moore im Kongobecken?

Wir hoffen, dass die Regierung der DR Kongo und alle Geberländer, die den Schutz des Regenwalds im Kongobecken unterstützen, zusammenstehen und die richtige Entscheidung treffen. Wir haben alle Geber, einschließlich Frankreich, Deutschland, Norwegen, Großbritannien und andere, aufgerufen, sich gegen die Zerstörung der Moore auszusprechen. Diese Länder verwenden Milliarden US-Dollar an Steuergeldern, um den Regenwald im Kongobecken zu schützen. Sie sollten also auch ernsthaft überwachen, was mit dem Geld geschieht – und das ist nicht der Fall. Wir hoffen auch, dass die Gemeinschaften, die vom Wald und den Mooren abhängig sind und sie lange Zeit geschützt haben, ihren Widerstand fortsetzen und dass ihre Stimmen gehört werden.

Zur Person: Irene Wabiwa Betoko ist Projektleiterin des Congo Basin Forest von Greenpeace Africa.

Das Interview führte Inka Dewitz.