Feminismus braucht Finanzierung! Es ist Zeit für eine feministische Finanzierungsstrategie

Erörterung

Welche Rolle spielt feministische Entwicklungs- und Außenpolitik als Instrument staatlich finanzierter Mittel für feministische Bewegungen und Organisationen? Eine Erörterung mit den Aktivistinnen Amina Doherty und Michelle Reddy. 

Grafik - drei Frauen stehen hintereinander und flüstern sich etwas ins Ohr, die erste spricht es durch ein Megaphon

In diesem Artikel diskutiere ich mit Amina Doherty (Black Feminist Fund & Equality Fund) und mit Michelle Reddy (Pacific Feminist Fund) die Rolle von feministischer Entwicklungs- und Außenpolitik als transformatives Tool von staatlichen Finanzmitteln für feministische Bewegungen und Organisationen. Amina und Michelle setzen sich beide für inklusivere und partizipatorische Förderungsprozesse im karibischen und pazifischen Raum ein. Obwohl Regierungen sich alle für nachhaltige Finanzierung verpflichtet haben, bleiben feministische Organisationen historisch unterfinanziert. Besonders betroffen sind feministische Initiativen, die von marginalisierten Personen gegründet und geführt werden.

Finanzielle Hürden für feministische Bewegungen

Alle Staaten, die eine feministische Entwicklungs- und Außenpolitik haben, beteuern, wie essenziell Intersektionalität ist. Während finanzielle Mittel im Bereich Menschenrechte generell steigen, ist der prozentuelle Anteil davon, der an Schwarze Communities ausgezahlt wird, erschreckend niedrig. Eine Studie des Black Feminist Fund zeigt, dass weltweit nur 0,1 bis 0,35 Prozent aller Förderungen an Schwarze Frauen, Mädchen und trans Personen gehen (siehe Abbildung). Diese Statistik ist erschreckend und gleichzeitig ein Aufruf, diesen miserablen Zustand zu ändern.

Prozentualer Anteil der Finanzmittel für Menschenrechte (in Dollarbeträgen). Eine Grafik aus der Studie des Black Feminist Fund zeigt, dass weltweit nur 0,1 bis 0,35 Prozent aller Förderungen an Schwarze Frauen, Mädchen und trans Personen gehen.
Bildquelle: “Where is the money for Black feminist movements?” vom Black Feminist Fund, S. 6.

Auch Michelle Reddy teilt diesen Aufruf für feministische Förderungen aus intersektionaler Perspektive: „Die deutsche Regierung muss auf heutige Ereignisse und Situationen reagieren, und gleichzeitig in der Lage sein, über die Zukunft nachzudenken und zu sprechen.“

Porträt Michelle Reddy
Michelle Reddy, Co-Geschäftsführerin beim Pacific Feminist Fund, Fiji Islands

Die Klimakrise zeigt exemplarisch, warum zukunftsorientiertes Fördern, Intersektionalität und humanitäre Hilfe zusammen gedacht werden müssen. Obwohl der pazifische Raum sehr wenig zur Klimakrise beiträgt, ist er einer der ersten geographischen Räume, der bereits jetzt unter den Auswirkungen des Klimawandels leidet. Wenn Regierungen die Klimakrise ernst nehmen, dann müssen sie lokale feministische Initiativen unterstützen. Denn diese, so Reddy,  nutzen indigenes und kulturspezifisches Wissen, für den Klimaschutz. 

Deutschlands Versprechen der feministischen Förderung

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und das Auswärtige Amt (AA) haben sich beide dazu verpflichtet, historisch marginalisierte Gruppen finanziell zu unterstützen. So steht im Strategiepapier für feministische Entwicklungspolitik des BMZ: „Bei der finanziellen Absicherung gegen Klimarisiken im Rahmen des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken setzt sich das BMZ für die Umsetzung feministischer Ansätze ein sowie für die Berücksichtigung zentraler Faktoren für Vulnerabilität wie Alter, Geschlechtsidentität, Behinderungen, rechtlicher Status von Personen und andere.“ (1 )

Das BMZ hat sogar sein Versprechen mit konkreten Zahlen und Budgets untermauert. Bis 2025 soll sich proportional die Anzahl neuer Förderungen mit dem Ziel der Geschlechtergerechtigkeit auf 8 Prozent verdoppeln. Außerdem soll der Anteil der neuzugesagten Projektmittel für Maßnahmen mit dem Nebenziel der Gleichberechtigung der Geschlechter auf 85 Prozent erhöht werden.  (2 ). Obwohl dieses finanzielle Ziel neu ist, wurde die Notwendigkeit für geschlechter-spezifisches Finanzieren schon vor der Einführung der feministischen Entwicklungspolitik 2023 von der vorherigen Regierung anerkannt. Das AA betritt in diesem Aspekt nun Neuland:

„In einem ersten Schritt haben wir bereits veranlasst, dass im Haushalt 2023 des Auswärtigen Amtes erstmals OECD-orientierte Genderkategorien für alle Projektmittel im Haushalt des Auswärtigen Amtes verpflichtend zu prüfen sind. Diese belaufen sich 2023 auf 5,5 Milliarden Euro bei einem Gesamthaushalt von 7,5 Milliarden Euro. […] Damit versetzen wir das Auswärtige Amt erstmals in die Lage, in allen Arbeitsbereichen, in denen Projektmittel vergeben werden, auf Gleichstellung zugeschnittene Budgetentscheidungen zu treffen.“ (3 )

In diesem Zusammenhang ist es notwendig anzuerkennen, dass feministische Finanzierung kein Konzept ist, dass durch feministische Entwicklungs- oder Außenpolitik eingeführt wurde.

Porträt Amina Doherty
Amina Doherty, Co-Gründerin des Black Feminist Fund und Vice-President People, Equity and Culture beim Equality Fund, Antigua and Barbuda

Amina verdeutlicht, dass manche Regierungen sich bereits für die Finanzierung feministischer Arbeit engagiert haben – vor der offiziellen Einführung feministischer Außenpolitik (siehe Studie der Association for Women’s Rights in Development). Einige Beispiele sind das Niederländische Auswärtige Amt, die Schwedische Entwicklungsagentur (Sida) und der Fund for Gender Equality der VN. Aktuellere Beispiele von Regierungen, die Geschlechtergerechtigkeit finanzieren, sind die kanadische und britische Regierung durch den Equality Fund. Besonders die Niederlande und Kanada plädieren für feministische Förderungen durch ihre feministische Entwicklungs- und Außenpolitik. In einer feministischen Utopie, wie Reddy es formuliert, sollten feministische Förderungen jedoch in allen politischen Bereichen existieren. Ansonsten entsteht das Paradox, dass ein Ministerium eine ausführliche und durchdachte feministische Außenpolitik implementiert, jedoch gleichzeitig die gleiche Regierung eine widersprüchliche Handelspolitik betreibt. In diesem Fall wird die feministische Perspektive für bestimmte Themenbereiche ignoriert und nicht in ihrer ganzheitlich angewandt. Ein anderes großes Risiko stellt der Anstieg von rechten Regierungen dar. Diese finanzieren keine feministischen Maßnahmen, sondern führen stattdessen anti-feministische Gesetze ein.

Ein Appell an Philanthropie und staatliche Finanzierungen

Feministische Maßnahmen bedeuten die Umverteilung von Macht. Hierbei ist ein allumfassender Wandel von Machtstrukturen in der Philanthropie notwendig, um feministische Förderungen zu realisieren. Denn nur so kann finanzielle Förderung feministisch sein. Auch Regierungen müssen sich zu einer feministischen Förderung als politische Grundausrichtung verpflichten. Gleiches gilt für Stiftungen, die langfristige Förderungen ermöglichen müssen. Beispielsweise setzt sich der Black Feminist Fund dafür ein, dass stiftende Träger*innen Förderungen für einen Zeitraum von mindestens acht bis zehn Jahre anbieten (siehe deren offenen Brief an die Philanthropie).

Feministische Förderprogramme sind notwendig als Vermittlung zwischen Regierungen und der Zivilgesellschaft. Besonders Graswurzelbewegungen sind durch viele staatliche Regulierungen eingeschränkt, Förderungen anzunehmen. Sie haben oft nicht die organisatorischen Strukturen, um Förderungen erstmals zu beantragen oder große Fördersummen buchhalterisch zu verwalten. Diese Hürde müssen sich feministische Förderungen annehmen. Feministische Finanzierungsansätze verteilen Gelder um. Gleichzeitig machen sie auf die Prekarität von feministischen Organisationen aufmerksam, welche durch die bestehenden Finanzierungsstrukturen kontinuierlich weiterbesteht. So argumentiert Reddy, dass die historische Unterfinanzierung von feministischer Arbeit noch immer dafür sorgt, dass diese Initiativen über keine adäquaten finanziellen Mittel verfügen, um in inklusivere Organisationsstrukturen, noch in das gesundheitliche Wohlbefinden von Angestellten investieren zu können. Als Konsequenz können es sich die priviligierten Akteur*innen leisten teil der  feministische Bewegungen zu bleiben  während es marginalisierten Menschen erschwert wird sich zu engagieren. Ein Umdenken, wie feministischer Aktivismus nachhaltig finanziert werden kann, könnte dafür sorgen, dass die so dringend benötigte Teilnahme von marginalisierten Gruppen endlich Realität werden kann.

  • 1Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2023, Feministische Entwicklungspolitik, S.26
  • 2Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, 2023, Feministische Entwicklungspolitik, S.28
  • 3Auswärtiges Amt, 2023, Feministische Außenpolitik gestalten, S.79