Bildung im Umbruch, Bildung im Aufbruch - Erkenntnisse aus PISA zum Online-Lernen

Als die Schulen in den Lockdown gingen, wurden viele Schülerinnen und Schüler weltweit von Ihren Bildungsmöglichkeiten abgeschnitten. Die Bildungssysteme zahlreicher Länder waren zu schlecht vorbereitet für digitale Lehr- und Lernformen. Die PISA-Studie 2018 zeigt, wie groß die Unterschiede zwischen Ländern und sozioökonomischen Gruppen mit Blick auf die IT-Ausstattung sind. Andreas Schleicher (OECD) argumentiert, dass Korrekturen notwendig sind, damit digitale Bildung bestehende Ungleichheiten nicht noch weiter verstärkt.

Dieser Artikel ist Teil unseres Dossiers "Digitale Schule: Lektionen aus der Pandemie".

Lehrer PC Laptop Schüler

Aufgrund der Lockdowns zur Eindämmung der Corona-Pandemie konnten bereits in der ersten Phase der Pandemie im Winter und Frühjahr 2020 weltweit 1,6 Milliarden Schülerinnen und Schüler nicht mehr zur Schule gehen. Manche fanden angesichts geschlossener Schultore neue Wege zur Bildung, teils dank der Hilfe ihrer Eltern, teils aus eigenem Lernantrieb. Für viele bedeuteten die Schulschließungen jedoch, dass sie von Bildung ausgeschlossen waren. Dies galt besonders für Schülerinnen und Schüler aus vulnerablen Gruppen, die keinen Zugang zu digitalen Lernmitteln hatten oder denen die nötige Unterstützung bzw. die Kraft und Motivation fehlte, alleine zu lernen.

So wurde der Fernunterricht während der Pandemie zum letzten Rettungsanker. Die Möglichkeiten digitaler Technologien im Bildungsbereich gehen jedoch weit über die während der Krise genutzten Behelfslösungen hinaus. Digitale Technologien bieten komplett neue Antworten im Hinblick darauf, was Menschen lernen, wie sie lernen, wo sie lernen und wann sie lernen. Technologien können Lehrenden und Lernenden jenseits herkömmlicher Lehrbücher Zugang zu spezialisiertem Lehrmaterial verschaffen, das in verschiedenen Formaten genutzt werden kann und zeitliche und räumliche Grenzen überwinden hilft. Intelligente digitale Lernsysteme, die die Lehrkräfte unterstützen, können den Schülerinnen und Schülern z. B. nicht nur naturwissenschaftliche Kenntnisse vermitteln, sondern gleichzeitig beobachten, wie sie lernen, welche Aufgaben und Denkansätze sie interessieren und welche Fragen sie langweilig oder schwierig finden. Damit kann das Lernen sehr granular und präzise an persönliche Lernstile angepasst werden. Virtuelle Labore können den Schülerinnen und Schülern zudem die Möglichkeit geben, Experimente selbst zu entwerfen, durchzuführen und auszuwerten, anstatt nur etwas über diese Experimente zu lernen.

Digitale Technologien können nicht nur Lehr- und Lernmethoden verändern, sondern auch die Rolle der Lehrkräfte aufwerten: Statt nur Wissen weiterzureichen, können sie selbst zusammen mit den Schülerinnen und Schülern Wissen schaffen – durch Coaching, Mentoring und Evaluierung.

Als die Corona-Krise begann, waren die Bildungssysteme der meisten Länder allerdings noch nicht reif für eine Welt digitaler Lernmöglichkeiten. So hat im Rahmen der TALIS Studie 2018 ein Viertel der Schulleitungen angegeben, dass fehlende oder unzureichende digitale Möglichkeiten das Lernen in ihren Schulen relativ stark oder stark beeinträchtigten. Dieser Anteil schwankte jedoch erheblich im Ländervergleich: In Singapur lag er nur bei 2 %, in Frankreich und Italien hingegen bei fast 30 %. Diese Zahlen könnten das Problem noch unterzeichnen, da sich unter Umständen nicht alle Schulleitungen der Möglichkeiten bewusst sind, die moderne Technologien für den Unterreicht eröffnen.

Es lohnt sich also zu untersuchen, wie gut die Bildungssysteme vorbereitet sind. Interessant sind dabei insbesondere die Länder, die aktuell an der Spitze stehen. Die neuesten PISA-Analysen liefern dazu wertvolle Erkenntnisse.

Fernunterricht und IT-Ausstattung

Im OECD-Durchschnitt stand 2018 fast allen 15-Jährigen in den Schulen ein Computer für den Unterricht zur Verfügung: Die Computer/Schüler-Quote lag bei 0,8. In Luxemburg, Neuseeland, Österreich, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten betrug sie mindestens 1,25. In Deutschland kam hingegen nur ein Computer auf zwei Schüler (Quote = 0,61).

In den meisten Ländern war die Verteilung der Computer in den Schulen ausgewogener als in den Elternhäusern. Dies unterstreicht die entscheidende Rolle, die Schulen bei der Gewährleistung eines chancengerechten Zugangs zu Technologien spielen.

Bei der Ausstattung der Schulen mit Computern wurden erhebliche Fortschritte erzielt. Die Computer/Schüler-Quote stieg zwischen 2009 und 2018 nahezu überall. Am deutlichsten nahm die durchschnittliche Zahl der Computer im Verhältnis zur Zahl der 15-Jährigen in Estland, Island, Litauen, Luxemburg, Schweden, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten zu. In Deutschland veränderte sich die Computer/Schüler-Quote in diesem Zeitraum hingegen nicht wesentlich. Im Vergleich zu 2009 stand 2018 im OECD-Durchschnitt für vier Schülerinnen und Schüler ein Computer mehr zur Verfügung (d. h. 0,26 Computer mehr pro Schüler/in).

Ist die Technologieausstattung der Schulen qualitativ ausreichend?

Die Bereitstellung digitaler Geräte in den Schulen zahlt sich nur aus, wenn diese Geräte für die jeweiligen Lehr- und Lernaufgaben geeignet sind. 2018 besuchten etwas mehr als zwei Drittel der 15-Jährigen eine Schule, in der die digitalen Geräte nach Angaben der Schulleitung „hinsichtlich der Rechenleistung ausreichend“ waren. In Japan traf dies auf weniger als die Hälfte der Schülerinnen und Schüler zu, im Kosovo nur auf ein Fünftel.

Die Unterschiede zwischen begünstigten und benachteiligten Schulen waren signifikant. Sehr wichtig ist auch die Frage der Internetverbindung. Während in den vier chinesischen Provinzen, die an PISA 2018 teilnahmen (Peking, Jiangsu, Shanghai und Zhejiang), sowie in Dänemark, Litauen, Singapur und Slowenien neun von zehn Schülerinnen und Schülern Schulen besuchten, in denen die Bandbreite bzw. Geschwindigkeit der Internetverbindung laut Aussage der Schulleitungen ausreichend war, galt dies im OECD-Durchschnitt nur für ein Sechstel der Schülerinnen und Schüler.

Bei etwa 40 % aller Computer, die 15-Jährigen in den Schulen zur Verfügung stehen, handelt es sich um tragbare Geräte. In einigen wenigen Hocheinkommensländern sind die meisten in den Schulen verfügbaren Computer tragbar: In Dänemark, Norwegen, Schweden und Singapur sind dies neun von zehn Computern, in den Vereinigten Staaten acht von zehn. In 50 Ländern und Volkswirtschaften beträgt der Anteil der tragbaren Geräte dagegen höchstens 30 % (Deutschland: 25 %). In Georgien, Jordanien, Malta, Marokko, den Philippinen, Thailand und Zypern ist bestenfalls jeder zehnte Computer ein tragbares Gerät.

Im OECD-Durchschnitt sind tragbare Computer in privaten Schulen häufiger verfügbar als in öffentlichen und in sozioökonomisch begünstigten häufiger als in benachteiligten. Die zwischen 2015 und 2018 verzeichnete Zunahme der Zahl tragbarer Computer in den Schulen war einem Anstieg im zweiten, dritten und obersten Quartil der sozioökomischen Verteilung der Schulen zuzuschreiben. In sozioökonomisch benachteiligten Schulen blieb der Anteil der tragbaren Geräte dagegen unverändert. Folglich haben die sozioökonomischen Unterschiede beim Zugang zu tragbaren Computern zwischen 2015 und 2018 zugenommen.

Hinzu kommt, dass die für den effektiven Einsatz digitaler Technologien erforderliche Ausstattung nicht überall vorhanden ist. Im Durchschnitt der OECD-Länder besuchten 2018 mehr als 65 % der Schülerinnen und Schüler Schulen, die nach Angaben der Schulleitung ausreichend ausgestattet waren, um „das Lehren und Lernen durch die Verwendung digitaler Geräte zu verbessern“. Zu den hier berücksichtigten Kriterien zählten geeignete Software, die Rechenleistung der digitalen Geräte, die Bandbreite oder die Geschwindigkeit der Internetverbindung der Schule sowie die Anzahl der mit dem Internet verbundenen Geräte. Etwa 55 % der Schülerinnen und Schüler besuchten im OECD-Durchschnitt eine Schule, in der eine effektive Online-Lernplattform verfügbar war.

Die Unterschiede zwischen begünstigten und benachteiligten Schulen sind in dieser Hinsicht jedoch erheblich. Beispielsweise besuchten insgesamt 71 % der Schülerinnen und Schüler Schulen, in denen geeignete Software zur Verfügung stand. Mit 77 % traf dies für Schülerinnen und Schüler in sozioökonomisch begünstigten Schulen jedoch deutlich häufiger zu als für solche in benachteiligten Schulen (65 %).

Sind die Lehrkräfte in der Lage, diese Technologien zu nutzen?

In PISA 2018 wurden die Schulleitungen gebeten, sich zu verschiedenen Aussagen über die Kapazitäten ihrer Schule, „das Lehren und Lernen durch die Verwendung digitaler Geräte zu verbessern“, zu äußern. Im OECD-Durchschnitt besuchten 2018 65 % der 15-Jährigen Schulen, in denen die Lehrkräfte nach Angaben der Schulleitung über die erforderlichen technischen und pädagogischen Kompetenzen verfügten, um digitale Geräte im Unterricht zu nutzen. Dieser Anteil variierte zwischen sozioökonomisch begünstigten und sozioökonomisch benachteiligten Schulen erheblich. In Schweden lag er beispielsweise in begünstigten Schulen bei 89 %, in benachteiligten Schulen betrug er aber nur 54 %. 

Im OECD-Durchschnitt besuchten etwa 60 % der 15-Jährigen Schulen, in denen die Lehrkräfte nach Angaben der Schulleitung „ausreichend Zeit [haben], Unterrichtsstunden vorzubereiten, in denen digitale Geräte integriert sind“. In den vier chinesischen Provinzen, die an PISA 2018 teilnahmen, traf dies auf nahezu 90 % der Schülerinnen und Schüler zu, in Japan auf kaum mehr als 10 %.

Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Frage, ob die Lehrkräfte Zugang zu „effektiven professionellen Materialien“ haben, um zu lernen, wie man mit den digitalen Geräten umgeht. Etwa 55 % der Schülerinnen und Schüler besuchten Schulen, in denen die Lehrkräfte „Anreize [erhalten], digitale Geräte in ihren Unterricht zu integrieren“, oder die über „ausreichend qualifiziertes Personal zur technischen Unterstützung“ verfügen.

Wie können Schulen digitale Geräte effizient einsetzen?

Ob der Einsatz von digitalen Geräten und IKT das Lehren und Lernen effektiv verbessert, dürfte auch von der Politik und Praxis der Schulen abhängen. In PISA 2018 wurden die Schulleitungen gefragt, ob sie über formale Leitfäden (wie schriftliche Regelungen, Konzepte oder Maßnahmenkataloge) oder spezifische Methoden (z. B. regelmäßige Gespräche) verfügen, um dafür zu sorgen, dass die digitalen Geräte im Unterricht effizient eingesetzt werden.

Die im OECD-Durchschnitt gängigsten Schulpraktiken hierfür sind: „regelmäßige Gespräche mit den Lehrkräften über die Verwendung digitaler Geräte zu pädagogischen Zwecken“ (63 % der Schülerinnen und Schüler besuchten Schulen, in denen solche Gespräche stattfanden, in Deutschland waren es 45 %, in den USA 74 %), „eine eigene schriftliche Regelung über die Verwendung digitaler Geräte“ (62 % der Schülerinnen und Schüler im Durchschnitt, 58 % in Deutschland, 90 % in den USA) sowie „ein spezifisches Konzept zur Vorbereitung der Schülerinnen und Schüler im verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet“ (60 % im Durchschnitt, 74 % in Deutschland, 55 % in den USA).

Leitfäden und Praktiken zur Verbesserung des Lehrens und Lernens mit digitalen Geräten sind in sozioökonomisch begünstigten Schulen weiter verbreitet als in benachteiligten Schulen. Im OECD-Durchschnitt könnten sich etwa 23 % der im Bereich Lesekompetenz festzustellenden Bildungsgerechtigkeitsunterschiede aus dem Prozentsatz der Schüler/innen erklären, die Schulen besuchen, die nach Angaben der Schulleitung über eine „eigene schriftliche Regelung über die Verwendung digitaler Geräte“ verfügen.

Die Ergebnisse zeigen, dass es wichtig ist, zwischen der Quantität und der Qualität digitaler Geräte zu unterscheiden. So stand den Schülerinnen und Schülern in begünstigten und benachteiligten Schulen zwar nahezu die gleiche Zahl an Computern zur Verfügung, in begünstigten Schulen handelte es sich bei diesen Geräten aber häufiger um tragbare Computer wie Laptops und Tablets. Ob Fernunterricht für alle Schüler/innen angeboten werden kann, hängt entscheidend davon ab, inwieweit sie zu Hause über digitale Geräte verfügen. Aus den vorliegenden Daten geht hervor, dass die Verteilung der Computer im häuslichen Umfeld weniger ausgewogen ist. Daher ist es besonders wichtig, Schülerinnen und Schülern in benachteiligten Schulen tragbare digitale Geräte zur Verfügung zu stellen.

Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass es bei der Verfügbarkeit von Computern mit ausreichender Rechenleistung sowie Internetbandbreite bzw. -geschwindigkeit große Unterschiede gibt. Benachteiligte Schulen sollten daher mit hinreichend schnellem Internet ausgestattet werden. Die PISA-Studie zeigt effektiv, dass speziell dieses Kriterium auf Systemebene mit mehr Chancengerechtigkeit assoziiert ist.

Voraussetzung für eine effektive Nutzung der Hardware ist aber auch, dass geeignete Lernsoftware zur Verfügung steht und die Lehrkräfte für den Digitalunterricht qualifiziert sind. Auch bei der Ausstattung mit geeigneter Lernsoftware und effizienten Online-Lernplattformen sind Unterschiede zwischen begünstigten und benachteiligten Schulen festzustellen. Daher wäre es sinnvoll, Lernsoftware und Online-Plattformen zu entwickeln, die für alle Schulen zugänglich sind. In begünstigten Schulen gibt es mehr Lehrkräfte, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen, digitale Geräte in den Unterricht einzubauen, und mehr qualifiziertes Personal zur technischen Unterstützung als in benachteiligten Schulen. Mehr als einem Drittel der Lehrkräfte mangelt es an den erforderlichen technischen und pädagogischen Kompetenzen. Folglich würde sich das Online-Lernen verbessern, wenn die Lehrkräfte die erforderlichen Fortbildungen erhielten. Hilfreich wäre es auch, Schulen Leitfäden für die Verwendung digitaler Geräte an die Hand zu geben, da dies auf Systemebene mit mehr Chancengerechtigkeit assoziiert ist.

Selbst wenn das plötzlich so akut gewordene Problem des Internetzugangs angegangen wird und selbst wenn – oder vielleicht gerade weil – die Weltwirtschaft infolge der Pandemie schrumpft, dürfen die bildungspolitisch Verantwortlichen andere grundlegende Fragen nicht vernachlässigen. Sonst werden sie nicht in der Lage sein, allen Schülerinnen und Schülern die bestmögliche Bildung zu bieten. Dabei geht es um die Frage, ob ein Zusammenhang zwischen einer höheren Zahl an Computern in den Schulen und besseren Bildungsergebnissen besteht

Zusammenhang von Lernleistungen und IT-Ausstattung

Der Zugang zum Internet war in den Bildungssystemen der meisten Länder, die 2018 an PISA teilnahmen, praktisch überall gewährleistet. In 55 der 79 Länder und Volkswirtschaften waren 9 von 10 Computern, die 15-Jährigen für den Unterricht zur Verfügung standen, mit dem Internet verbunden. Dabei war im OECD-Durchschnitt eine positive Korrelation zwischen einer höheren Zahl an Computern mit Internetanschluss in den Schulen und den Leseleistungen der Schülerinnen und Schüler festzustellen. In Schulen, in denen Bandbreite und Geschwindigkeit des Internetzugangs nach Angaben der Schulleitung ausreichend waren, erzielten die Schülerinnen und Schüler im Bereich Lesekompetenz im OECD-Durchschnitt 10 Punkte mehr als in Schulen mit unzureichender Internetgeschwindigkeit. Nach Berücksichtigung des sozioökonomischen Profils der Schüler/innen und der Schulen waren diese positiven Korrelationen allerdings nicht mehr festzustellen. Grund hierfür ist, dass Schülerinnen und Schüler begünstigter Schulen, in denen ein größerer Anteil der Computer ans Internet angeschlossen ist und die Internetverbindung schneller ist, in der Regel ohnehin besser abschnitten.

Auf Systemebene besteht zwischen der Internetverbindung und der mittleren Punktzahl in Lesekompetenz ein deutlicher Zusammenhang. In leistungsstarken Ländern und Volkswirtschaften ist im Allgemeinen ein größerer Anteil der Computer, die den 15-Jährigen für den Unterricht zur Verfügung stehen, ans Internet angeschlossen. Dieser positive Zusammenhang ist selbst nach Berücksichtigung des Pro-Kopf-BIP in allen Teilnehmerländern und -volkswirtschaften zu beobachten. 2018 erklärten sich bis zu 57 % der Unterschiede zwischen den mittleren Punktzahlen der Länder im Bereich Lesekompetenz aus Unterschieden beim Internetzugang. Auch bei der Bandbreite bzw. Geschwindigkeit des Internetanschlusses der Schulen ist für alle Teilnehmerländer und -volkswirtschaften eine positive Korrelation mit der mittleren Punktzahl und der Chancengerechtigkeit im Bereich Lesekompetenz festzustellen, und dies vor und nach Berücksichtigung des Pro-Kopf-BIP.

Allerdings ist die materielle Ausstattung mit Technologie nur eine Komponente des digitalen Lernens. Die Lehrkräfte müssen mit der Technologie auch umgehen können, um ihren Unterricht zu verbessern. PISA 2018 ergab, dass sozioökonomisch begünstigte Schulen über mehr Kapazitäten verfügen, „das Lehren und Lernen durch die Verwendung digitaler Geräte zu verbessern“, als benachteiligte Schulen. Die Schulleitungen begünstigter Schulen gaben im OECD-Durchschnitt häufiger an, dass ihre Kapazitäten für die Verwendung digitaler Geräte ausreichen.

Schüler/innen von Schulen, die größere Kapazitäten zur Verbesserung des Lehrens und Lernens durch digitale Geräte haben, schnitten in Lesekompetenz im OECD-Durchschnitt besser ab. Beispielsweise erzielten Schülerinnen und Schüler in Schulen, in denen die Lehrkräfte über die erforderlichen technischen und pädagogischen Kompetenzen verfügten, um digitale Geräte im Unterricht zu nutzen, 5 Punkte mehr als Schüler/innen in Schulen, in denen die Lehrkräfte diese Kompetenzen nicht besaßen. Nach Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds war dieser Unterschied aber nicht mehr statistisch signifikant.

Auch zwischen der Verfügbarkeit der richtigen Lernsoftware und den Leseleistungen wurde ein Zusammenhang festgestellt. Etwa 34 % der Varianz der Schülerleistungen im Bereich Lesekompetenz könnten im Durchschnitt der Teilnehmerländer auf Unterschiede in der Verfügbarkeit geeigneter Software zurückzuführen sein.

Wichtig ist auch, dass die Schulen klar definieren, wie Computer im Unterricht verwendet werden sollen. So können sie den Lehrkräften eine Blaupause für die Vorbereitung von Unterrichtsstunden liefern, die webbasiertes Material enthalten. Für alle Teilnehmerländer und -volkswirtschaften ist festzustellen, dass die durchschnittlichen Schülerleistungen in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften höher sind, wenn ein größerer Anteil der Schülerinnen und Schüler Schulen besucht, die nach Angaben der Schulleitung über eigene Regelungen zur Verwendung digitaler Geräte verfügen.

Auf Systemebene ist sowohl für den absoluten Umfang als auch für die Unterschiede bei der Ausstattung mit digitalen Ressourcen ein Zusammenhang mit den Schülerleistungen und dem Grad der Bildungsgerechtigkeit der Länder festzustellen. Um Leistungen und Chancengerechtigkeit zu erhöhen, ist es also entscheidend, alle Schulen und insbesondere die benachteiligten stärker mit digitalen Geräten und Leitfäden für ihre Nutzung auszustatten.

Wie gerecht sind die digitalen Ressourcen verteilt?

Eine effektive Online-Lernplattform ist ein Muss, wenn die digitalen Geräte, die den Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden, sinnvoll genutzt werden sollen – ganz besonders in Zeiten, in denen der Fernunterricht als Rettungsanker dient. Im OECD-Durchschnitt besuchte 2018 knapp die Hälfte der 15-Jährigen Schulen, in denen laut Angaben der Schulleitung eine „effektive Online-Lernplattform zur Unterstützung“ verfügbar war. Auch in diesem Punkt gab es innerhalb und zwischen den Ländern große Unterschiede, insbesondere im Zusammenhang mit dem sozioökonomischen Profil der Schulen. Im Durchschnitt der der OECD-Länder besuchten 58,8 % der Schülerinnen und Schüler begünstigter Schulen eine Schule, die nach Angaben ihrer Schulleitung über eine effektive Online-Lernplattform verfügte (Deutschland: 38%, USA: 74%). Unter den Schülerinnen und Schülern benachteiligter Schulen waren es dagegen nur 48,8 % (Deutschland: 30%, USA: 72%). In den vier chinesischen Provinzen, die an PISA 2018 teilnahmen, sowie in Dänemark, Macau (China) und Singapur, besuchten neun von zehn Schülerinnen und Schülern Schulen mit einer effektiven Online-Lernplattform. In Argentinien, Belarus, Costa Rica, Japan, Kosovo, Luxemburg, Marokko, der Republik Nordmazedonien, Panama und Peru waren es weniger als 30 %.

In den OECD-Ländern lassen sich die Unterschiede bei der Chancengerechtigkeit im Bereich Lesekompetenz zu etwa 15 % durch den Anteil der Schüler/innen erklären, die Schulen besuchten, deren Leitung der Aussage „eine effektive Online-Lernplattform zur Unterstützung ist verfügbar“ eher oder völlig zustimmte. Bei Betrachtung aller Länder ist die Korrelation schwächer, bleibt aber statistisch signifikant. In allen Teilnehmerländern und -volkswirtschaften ist eine effektive Online-Lernplattform auch auf Systemebene mit besseren Leistungen assoziiert.

Können Schulen Benachteiligungen im Elternhaus kompensieren?

In vielen Ländern haben benachteiligte Schülerinnen und Schüler zu Hause häufig keinen ruhigen Platz zum Lernen. Daher ist es umso wichtiger, dass die Schulen ihren Schülern solche Räume anbieten. Dies ist eine Investition, die sich – sowohl auf der Ebene der Schulen als auch des Bildungssystems – in Form besserer Schülerleistungen bezahlt macht. Der Besuch einer Schule, die über Räume verfügt, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Hausaufgaben machen können, war 2018 nach Berücksichtigung des sozioökonomischen Profils der Schüler und der Schulen in 20 Ländern und Volkswirtschaften mit höheren Punktzahlen in Lesekompetenz assoziiert. Im Durchschnitt der OECD-Länder erzielten Schülerinnen und Schüler, die in ihrer Schule einen Raum hatten, in dem sie ihre Hausaufgaben machen konnten, in Lesekompetenz 14 Punkte mehr als Schülerinnen und Schüler, die diese Möglichkeit nicht hatten. Nach Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrunds verringerte sich dieser Leistungsvorsprung auf 4 Punkte.

In allen Ländern und Volkswirtschaften war der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in der Schule einen Raum hatten, in dem sie ihre Hausaufgaben machen konnten, nach Berücksichtigung des Pro-Kopf-BIP stark mit der mittleren Punktzahl in Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften korreliert. In den OECD-Ländern war diese Korrelation schwächer, blieb aber nach Berücksichtigung des Pro-Kopf-BIP in den drei Haupterhebungsbereichen statistisch signifikant.

In sozioökonomisch benachteiligten Schulen war der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in der Schule einen Raum haben, in dem sie ihre Hausaufgaben machen können, allerdings um durchschnittlich etwa 7 Prozentpunkte geringer als in sozioökonomisch begünstigten Schulen. Mit anderen Worten haben gerade die Schülerinnen und Schüler, die am stärksten von dieser wertvollen Ressource – einem ruhigen Platz zum Lernen – profitieren könnten, mit geringerer Wahrscheinlichkeit Zugang dazu.

Fazit

Digitale Technologien eröffnen vielversprechende Aussichten für eine ganz neue Lernqualität. Die meisten Bildungssysteme müssen aber darauf achten, dass bereits bestehende Ungleichheiten bei Lernzugang und Lernqualität dadurch nicht noch weiter verstärkt werden. Für mehr Chancengerechtigkeit zu sorgen, ist nicht nur eine Frage des Zugangs zu Technologien und kostenfreien Lernressourcen. Vielmehr kommt es auch entscheidend darauf an, funktionierende soziale Beziehungen zwischen Eltern, Lehrkräften und Schüler/innen aufrechtzuerhalten. Dies ist vor allem für jene Schülerinnen und Schüler wichtig, denen es an der nötigen Resilienz, den Lernstrategien oder der Motivation mangelt, ihr Lernen selbst in die Hand zu nehmen. Neue Technologien können die Arbeit guter Lehrkräfte verbessern. Sie können aber Lehrkräfte nicht ersetzen.

Dieser Artikel ist Teil unseres Dossiers "Digitale Schule: Lektionen aus der Pandemie - Ein transatlantischer Erfahrungsaustausch".