Sozialbudget: Wohlstand schafft Sicherheit

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Die Mittel für den Ausgleich der Lebensver­hält­nisse finanzieren sich im Wesentlichen durch Sozialversicherungsbeiträge und Steuern. Sie beruhen auf einer hohen Wertschöpfung, die erarbeitet und verteilt werden muss. 

Sozialatlas Infografik: Anteile der wohlhabendsten Haushalte je Land sowie der Haushalte mit selbstgenutztem Immobilienbesitz 2017
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Anteile der wohlhabendsten Haushalte je Land sowie der Haushalte mit selbstgenutztem Immobilienbesitz 2017.

Das soziale Leistungsniveau eines Staates lässt sich am besten durch die Sozialleistungsquote, also den Anteil der Ausgaben für Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt (BIP), darstellen. In Deutschland wurden im Jahr 2019 rund 30 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes für soziale Leistungen ausgeben. Das sind rund 1,04 Billionen oder auch 1.004 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der gesunkenen Wirtschaftskraft während der Corona-­Krise und den umfangreichen staatlichen Hilfsprogrammen ist die Sozialleistungsquote im Jahr 2020 relativ stark auf 33,6 Prozent angestiegen.

Cover Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022

Der Sozialatlas 2022 bringt Übersicht in die Komplexität des Sozialsystems, zeigt seine Grundlagen und Perspektiven. So wird sichtbar, dass der soziale Zusammenhalt auf einer Kooperation von Gesellschaft, Staat und Wirtschaft beruht – und seine Zukunft nur gemeinsam gestaltet werden kann.

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Im Vergleich der EU-Staaten zeigt sich, dass die Sozialleistungsquote mit steigender Wirtschaftskraft zunimmt: Je höher das Wohlstandsniveau eines Landes, desto höher ist tendenziell auch der Anteil der Sozialausgaben. Entsprechend finden sich hohe Sozialleistungsquoten in Nord- und Westeuropa, eher niedrige in Staaten Ost- und Südeuropas. Deutschland hatte unter den EU-Staaten im Jahr 2018 die fünfthöchste Sozialleistungsquote.

Hohe Sozialausgaben durch Corona-Pandemie

Die Sozialleistungen werden aus den Sozialbeiträgen der Arbeitgebenden und der Arbeitnehmenden sowie über steuerliche Mittel aus den Haushalten von Bund, Ländern und Gemeinden finanziert. Im Krisenjahr 2020 betrug der Finanzierungsanteil der Unternehmen 27,4 Prozent – 0,5 Punkte weniger als ein Jahr zuvor. Auch der Anteil der privaten Haushalte ist um einen Prozentpunkt auf 30,4 Prozent gesunken. Spiegel­bildlich hat sich der Anteil des Staates um 1,5 Punkte erhöht. Coronabedingt haben sich zum Beispiel die Aufwendungen für die Arbeitslosenversicherung verdoppelt. Zum anderen ist das Bruttoinlandsprodukt um 3,4 Prozent geschrumpft. Nach einer Modellrechnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales könnte die Sozialleistungsquote im Jahr 2022 wieder um 1,4 Punkte sinken.

Sozialatlas Infografik: Unternehmen und private Haushalte finanzieren mit knapp 60 Prozent den Löwenanteil
Im Jahr 2020 ist das Sozialbudget aufgrund der Corona-Hilfsmaßnahmen stark gestiegen, um fast drei Prozentpunkte.

Von den Sozialausgaben fließen fast zwei Drittel in die Leistungen der Sozialversicherungssysteme, wobei die Ausgaben für die Renten- und Krankenversicherung mehr als die Hälfte des Sozialbudgets ausmachen. Neben diesen vorwiegend beitragsfinanzierten Leistungen stellen die rein steuerfinanzierten Sozialtransfers wie beispielsweise die Grundsicherung für Arbeitssuchende, familienbezogene Leistungen wie das Kinder- oder Elterngeld, Aufwendungen für die Kinder- und Jugendhilfe sowie das Wohngeld und die Sozialhilfe erhebliche Posten des Sozialbudgets dar.

Weniger Arbeitslosigkeit, mehr Krankheit

Auch wenn die Leistungen der Sozialversicherungen deutlich dominieren, hat die Bedeutung der steuerfinanzierten Förder- und Fürsorgeleistungen insbesondere nach der Jahrtausendwende zugenommen. Mit Blick auf die verschiedenen Funktionsbereiche sind gegenüber dem Jahr 1991 vor allem die Ausgaben für die Folgen der Arbeitslosigkeit zurückgegangen. Gestiegen sind dagegen die für Krankheit und Invalidität. Teilweise ist das durch die erst ab 2009 im Sozialbudget erfassten Grundleistungen der privaten Krankenversicherung zu erklären, auf der anderen Seite jedoch auch durch die für eine alternde Bevölkerung typischerweise wachsenden Gesundheitsausgaben.

Sozialatlas Infografik: Bevölkerung ab 17 Jahren nach Höhe ihres Besitzes, 2017
Bevölkerung ab 17 Jahren nach Höhe ihres Besitzes, 2017.

Mit Blick auf die verfügbaren Einkommen, also die Einkommen nach Steuern und Abgaben sowie inklusive Renten und Transferzahlungen, zählt Deutschland im Vergleich der EU- und OECD-Staaten zu den Ländern mit einer eher geringen Ungleichheit. Wie in vielen anderen Industrienationen auch ist die heutige Verteilung der Einkommen in Deutschland weniger ausgeglichen als noch zu Beginn der 1990er-Jahre, jedoch in etwa stabil auf diesem Niveau seit 2005. Zu den begünstigenden Faktoren zählte in dem Zeitraum seither der Beschäftigungsaufschwung. Einen die Ungleichheit der Einkünfte verschärfenden Effekt hatte dagegen die gestiegene Migration der vergangenen Jahre, im Zuge derer Schutz suchende Menschen mit wenig Hab und Gut und zunächst geringen Einkommen nach Deutschland ­kamen. Im Durchschnitt der Bevölkerung sind aber die verfügbaren Realeinkommen zwischen 2005 und 2018 um knapp 13 Prozent gestiegen.

Vermögensungleichheit und Sozialpolitik 

Dagegen deutlich ungleicher verteilt im Vergleich der Euroländer sind in Deutschland die privaten Vermögen. Allerdings hat gerade auch die sozialstaatliche Absicherung eines Landes Einfluss auf diese Vermögensverteilung: Werden Lebensrisiken stark durch den Sozialstaat abgesichert, fallen die Anreize, aber auch die Notwendigkeit zur privaten Vorsorge deutlich niedriger aus, und es bleibt genug, um beispielsweise in ein Eigenheim zu investieren. Gleichzeitig werden die Sozialleistungen über Abgaben und Steuern finanziert, wodurch insbesondere bei geringen und mittleren Einkommen weniger Geld für den privaten Vermögensaufbau bleibt. Im Vergleich der EU-Staaten zeigt sich, dass die Vermögensungleichheit besonders in Ländern mit hohem Lebensstandard und einer umfassenden Wohlfahrtspolitik hoch ausfällt. Neben Deutschland zählen dazu auch die skandinavischen Staaten Dänemark, Schweden und Norwegen.